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Dieser Artikel ist der erste Teil unserer dreiteiligen Serie zum Thema „Agentic AI“. Ziel ist es, ein fundiertes strategisches Grundverständnis für agentenbasierte KI-Systeme zu schaffen – als Entscheidungsgrundlage für zukünftige Investitionen und organisatorische Weiterentwicklungen. Statt technischer Details stehen nachvollziehbare Orientierungsfragen im Mittelpunkt, mit Fokus auf die Relevanz für unternehmerische Entscheidungen.

Im Rahmen dieser Serie erwarten Sie folgende Artikel, die in aufeinanderfolgender Veröffentlichung erscheinen:

1. Was ist Agentic AI und wie funktioniert sie? (dieser Artikel)

2. Wie wendet man Agentic AI konkret an?

3. Welche Use Cases gibt es für Agentic AI?

Was versteht man unter Agentic AI?

Agentic AI bezeichnet KI-Systeme, die als autonome digitale Agenten agieren. Im Gegensatz zu klassischen, regelbasierten oder durch Anweisung gesteuerten Systemen verfolgen Agenten eigenständig ein Ziel, beobachten ihren Kontext, bewerten Handlungsoptionen und treffen eigene Entscheidungen. Sie handeln auf Basis von Daten, Kontextwissen und Erfahrungen mit dem Anspruch, nicht nur zu reagieren, sondern vorausschauend zu agieren.

Diese Systeme sind dabei nicht auf ein einzelnes Modell beschränkt, sondern orchestrieren verschiedene Werkzeuge, APIs und Entscheidungslogiken, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Der Mensch definiert die Zielsetzung und den Handlungsrahmen, die Agentic AI-Systeme übernehmen die operative Ausführung. Diese Fähigkeit zur delegierbaren Zielverfolgung macht Agentic AI zu einem strategischen Konzept für moderne Unternehmensarchitekturen.

Was unterscheidet Agentic AI von klassischer KI?

Klassische KI arbeitet reaktiv, sie analysiert Daten, erkennt Muster und liefert darauf basierend Vorhersagen oder Empfehlungen. Sie bleibt jedoch abhängig vom Input und von vordefinierten Abläufen.

Agentic AI hingegen verfolgt aktiv ein Ziel. Sie plant, handelt und lernt kontinuierlich. Das heisst: ein Agent kann selbstständig entscheiden, wann eine Analyse erforderlich ist, ob zusätzliche Informationen nötig sind oder ob eine Interaktion ausgelöst werden soll, ohne, dass jeder Schritt vom Menschen definiert wurde.

Das stellt für Unternehmen einen Paradigmenwechsel dar: weg von der punktuellen Intelligenz (z. B. „welcher Kunde kündigt?“) hin zur kontinuierlichen Handlungsfähigkeit (z. B. „wie kann ich die Kundenbindung proaktiv stärken?“).

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Warum gewinnen autonome Agenten gerade jetzt an Relevanz?

Mehrere Entwicklungen erhöhen derzeit den Druck und gleichzeitig die Machbarkeit für Agentic AI:

  • Modellseitige Fortschritte: Foundation-Modelle wie LLMs oder domänenübergreifende Sprach-KI liefern die semantische und kontextuelle Grundlage, welche agentenartige Interaktionen erstmals auf breiter Basis nutzbar machen.
  • Wirtschaftliche Notwendigkeit: Unternehmen müssen ihre Prozesse stärker automatisieren, aber zugleich flexibler und resilienter machen. Die klassische Automatisierung stösst hier an ihre Grenzen.
  • Technologische Integration: APIs, Cloud-Dienste, Data Platforms und CRM-Systeme lassen sich heute leichter übergreifend anbinden, sodass Agentic AI-Systeme Informationen systemübergreifend nutzen können.
  • Erweiterte Reasoning-Fähigkeiten: Wie es sich bei aktuellen Sprachmodellen, wie ChatGPT (OpenAI), Claude (Anthropic), Gemini (Google DeepMind) oder LLaMA (Large Language Model Meta AI) beobachten lässt, sind moderne Agentensysteme zunehmend in der Lage, komplexe Zusammenhänge zu analysieren, logische Schlussfolgerungen zu ziehen und daraus handlungsrelevante Massnahmen abzuleiten. Diese Fähigkeit geht deutlich über das klassische Frage-Antwort-Prinzip hinaus und bildet die Grundlage für die tatsächliche Automatisierung geschäftskritischer Entscheidungsprozesse.
  • Verändertes Erwartungsmanagement auf Anwenderseite: Geschäftseinheiten und Endnutzer:innen fordern zunehmend Systeme, die nicht nur unterstützen, sondern proaktiv handeln und Verantwortung übernehmen, etwa bei der Priorisierung von Aufgaben, der Eskalation von Risiken oder der Generierung fundierter Entscheidungsoptionen. Agentic AI bietet hier erstmals eine realistische Möglichkeit zur technischen Erfüllung dieses Anspruchs.
  • Verfügbarkeit von Plug-and-Play-Bausteinen: Durch die Verbreitung von Low-Code-Umgebungen, API-Konnektoren und standardisierten Toolchains wird die Implementierung von Agentenlösungen einfacher, schneller und wirtschaftlich kalkulierbar. Das senkt auch für Unternehmen ohne eigene KI-Forschung die Einstiegshürde.

Agentic AI ist somit nicht nur technologisch möglich, sie ist auch wirtschaftlich und organisatorisch anschlussfähig geworden.

Wie funktioniert Agentic AI im Unternehmenskontext?

Agentic AI-Systeme basieren auf einem iterativen Zyklus:

1. Wahrnehmen: Das System erfasst Daten über Zustände, Ereignisse, Nutzerverhalten oder Systemantworten strukturiert wie unstrukturiert. Diese Informationen stammen je nach Anwendungsfall aus verschiedenen Quellen, wie ERP-Systemen, CRM-Plattformen, APIs, Textdokumenten oder der Sensorik.

2. Analysieren und Entscheiden: Basierend auf Zielvorgaben, Unternehmenskontext und vorhandener Erfahrung plant das System mögliche Handlungsoptionen, priorisiert sie und entscheidet, welche Massnahme im jeweiligen Kontext am sinnvollsten ist. Hierbei können auch Unsicherheiten, Zielkonflikte oder Wahrscheinlichkeiten berücksichtigt werden.

3. Handeln: Die ausgewählte Massnahme wird über technische Schnittstellen selbstständig ausgeführt. Dies kann ein Datenbankeintrag, eine Nachricht an eine Fachperson, eine Systembuchung oder eine automatisierte Weiterverarbeitung in einem nachgelagerten System sein.

4. Reflektieren und Lernen: Das System analysiert die Auswirkungen seiner Entscheidung, lernt aus Rückmeldungen und passt seine Entscheidungslogik für künftige Fälle an – kontinuierlich und datenbasiert.

Dieser Zyklus wiederholt sich fortlaufend, idealerweise mit nachvollziehbaren Zwischenschritten, sodass menschliche Nutzer:innen die Systeme überwachen und feinjustieren können, aber nicht jeden Schritt einzeln steuern müssen.

Besonders relevant ist dabei, dass die Systeme zunehmend in der Lage sind, ihren Handlungskontext dynamisch zu interpretieren. Sie bewerten Abweichungen, erkennen Zielverfehlungen oder Ambiguität im Input und reagieren entsprechend adaptiv. Dies ermöglicht den Übergang von statischer Automatisierung zu lernfähiger, kontextsensitiver Handlungssteuerung.

Welche Arten von Agenten gibt es und wie unterscheiden sie sich in der Praxis?

Agenten lassen sich in Reifegrade oder funktionale Ausprägungen gliedern. Die folgende Klassifikation hilft Unternehmen dabei, für unterschiedliche Herausforderungen passende Agenten-Typen zu wählen:

  • Reflex-Agenten reagieren unmittelbar auf Auslöser nach festen Regeln, vergleichbar mit klassischen RPA-Lösungen (Robotic Process Automation). Sie arbeiten deterministisch, schnell und zuverlässig, eignen sich aber nur für klar strukturierte, wiederkehrende Abläufe ohne Entscheidungsfreiheit.
  • Modellbasierte Agenten verstehen interne Zusammenhänge und können Kontext mitdenken. Sie bauen ein internes Abbild ihrer Umwelt auf, um systemische Veränderungen besser einschätzen und antizipieren zu können. Anwendung finden sie z. B. bei Prozessprognosen, Lageroptimierungen oder der dynamischen Produktionssteuerung.
  • Zielorientierte Agenten planen strategisch, wie ein definiertes Ziel effizient erreicht wird. Sie bewerten Handlungspfade nach Zielerreichung und entscheiden sich für den vielversprechendsten Weg, welcher ideal für die Ressourcenallokation, Vertriebssteuerung oder automatisierte Projektplanung ist.
  • Nutzenorientierte Agenten treffen Entscheidungen auf Basis eines bewerteten Zielsystems (z. B. Kosten-Nutzen-Bewertung, Kundenzufriedenheit, Zeitersparnis). Solche Agenten werden oft in komplexen Szenarien eingesetzt, in denen mehrere Interessen gleichzeitig berücksichtigt werden müssen, z. B. bei der Logistikoptimierung oder für Pricing-Strategien.
  • Lernfähige Agenten entwickeln sich kontinuierlich durch Datenfeedback weiter. Sie nutzen beispielsweise Reinforcement Learning oder kontinuierliche Optimierungsansätze, um mit jeder Entscheidung dazuzulernen. Sie sind besonders relevant für repetitive Prozesse mit hoher Datenverfügbarkeit, wie die Anomalieerkennung oder das Kundenerlebnismanagement.
  • Hierarchische Agentensysteme (auch als Agentenverbund oder orchestriertes Agentennetzwerk bezeichnet) bestehen aus mehreren Agenten, die in einer übergreifenden Architektur organisiert sind. Sie teilen Aufgaben auf, kommunizieren untereinander und steuern gemeinsam komplexe Gesamtprozesse, etwa in Produktionsketten, digitalen Zwillingen oder unternehmensweiten Serviceplattformen.

In der Praxis zeigen sich oft fliessende Übergange zwischen diesen Typen. Entscheidend für erfolgreiche Projekte ist ein durchdachter Einstieg mit klar definierten Zielen, einem geeigneten Anwendungsfall und einem fokussierten Scope.

Strategischer Nutzen: Autonomie, Entscheidungsfähigkeit, Lernfähigkeit

Agentic AI zielt nicht auf punktuelle Automatisierung ab, sondern auf strukturelle Verbesserung von Entscheidungs- und Steuerungsprozessen. Sie punktet im Businesskontext vor allem mit den folgenden Eigenschaften:

  • Autonomie dank der Reduktion operativer Belastung für Teams. Agentensysteme können eigenständig Aufgaben übernehmen, Entscheidungen treffen und Folgehandlungen einleiten, wie etwa in der Kundenkommunikation, bei Angebotsprozessen oder bei der Koordination interner Systeme. Sie agieren im Rahmen definierter Richtlinien und helfen dabei, Skalierbarkeit ohne Kontrollverlust zu ermöglichen.
  • Entscheidungsfähigkeit dank Schnelligkeit, Transparenz und Konsistenz im Entscheidungsprozess. Agentic AI-Systeme können komplexe Entscheidungsbäume in Echtzeit abbilden, regelbasierte und datenbasierte Kriterien zusammenführen und so fundierte Handlungsoptionen vorschlagen oder direkt umsetzen, was ideal für risikobehaftete, zeitkritische oder datenintensive Anwendungsbereiche ist.
  • Lernfähigkeit dank der kontinuierlichen Weiterentwicklung auf Basis von Rückmeldungen, Nutzerinteraktionen und operativen Ergebnissen. So wird vermieden, dass Systeme statisch bleiben oder durch manuelle Nachpflege veralten. Die Systeme optimieren sich selbst entlang definierter Erfolgsmetriken, sei es zur Kostenreduktion, Verbesserung von Durchlaufzeiten oder Qualitätssteigerung.

Somit wird Agentic AI zur tragenden Komponente digitaler Resilienz, insbesondere in datenintensiven, komplexen und dezentralen Umfeldern.

Abgrenzung zu traditionellen Automatisierungstools

Viele Unternehmen arbeiten bereits mit RPA, BPM oder regelbasierten Engines. Diese Tools haben sich bewährt, stossen aber dort an Grenzen, wo Prozesse unvorhersehbar, dynamisch oder nicht vollständig definierbar sind.

Agentic AI-Systeme bringen hier vier entscheidende Erweiterungen:

  • Kontextverständnis: Klassische Automatisierung erfordert strukturierte Daten und feste Regeln. Agentic AI-Systeme hingegen sind in der Lage, auch semi-strukturierte oder unvollständige Informationen zu verarbeiten, Zusammenhänge zu erkennen und darauf aufbauend Entscheidungen zu treffen. Dadurch steigt die Anwendbarkeit in realitätsnahen, heterogenen Prozesslandschaften.
  • Entscheidungsautonomie: Während RPA-Prozesse nach dem Prinzip „Wenn A, dann B“ funktionieren, bewerten Agentensysteme mehrere Handlungsoptionen gleichzeitig unter Berücksichtigung von Zielkonflikten, Rahmenbedingungen und Auswirkungen. Das erlaubt eine differenzierte, risikobasierte oder nutzenmaximierende Steuerung auch unter unsicheren Bedingungen.
  • Zielanpassung: Herkömmliche Workflows sind starr. Agentic AI-Systeme orientieren sich dynamisch an übergeordneten Zielen und passen ihren Weg flexibel an, beispielsweise bei Ressourcenengpässen, Änderungen im Kundensignal oder wechselnden Prioritäten.
  • Skalierbare Intelligenzschicht: Agenten können eine bestehende Automatisierungslogik erweitern, indem sie als Entscheidungsvorstufe oder Meta-Steuerung eingesetzt werden. So entsteht eine intelligente Ergänzung anstelle eines vollständigen Ersatzes – mit hoher Anschlussfähigkeit an bestehende Plattformen.

Dies bedeutet, dass Agentic AI klassische Tools nicht ersetzt, sondern sie um eine neue, lernfähige Steuerungs- und Entscheidungsebene ergänzt, welche die bisherigen Automatisierungslösungen sinnvoll erweitert und modernisiert.

Warum ist der rechtzeitige Einstieg so entscheidend?

Agentic AI steht an der Schwelle zur Breitenanwendung. Unternehmen, die sich heute ein Verständnis für ihre Prinzipien, Einsatzmöglichkeiten und Voraussetzungen aneignen, sichern sich strategische Vorteile für die nächste Welle der digitalen Transformation. Zugleich gilt es, Erwartungen realistisch zu steuern. Agentic AI ist keine Alleskönnerin: sie ersetzt keine strategische Führung, keine Empathie und keine menschliche Urteilskraft in ethisch komplexen Situationen. Allerdings kann sie Entscheidungen vorbereiten, repetitive Abläufe automatisieren und Prozesse intelligenter gestalten. Besonders im stark regulierten Schweizer Umfeld, wie etwa im Finanz- oder Gesundheitswesen, bietet Agentic AI Potenzial für kontrollierte, nachvollziehbare Innovation. Wer nicht nur Prozesse digitalisieren, sondern geschäftskritische Abläufe zukunftssicher gestalten will, kann mit Agentic AI die nächste Reifephase der digitalen Wertschöpfung erreichen.

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Bild Attila Boka

Autor Attila Boka

Als Data & AI-Experte bei adesso Schweiz unterstützt Attila Boka Unternehmen bei der Einführung und Optimierung von Daten- und KI-Technologien.

Kategorie:

KI

Schlagwörter:

Big Data

Künstliche Intelligenz (KI)