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Interaktive Formate sind eine bewährte Alternative zu traditionellen Konferenzen und Symposien. Denn letztere scheitern oft am mangelnden Austausch zwischen den Teilnehmenden. Der ironische Spruch „Das Beste an der Konferenz waren die Pausen“ erklärt im Umkehrschluss, wie wichtig heute Netzwerke, Informationsaustausch und gemeinsames Lernen sind.

Wenn in Unternehmen Veränderungen anstehen, stellen sich häufig Fragen wie: "Wie können wir die Mitarbeitenden über unsere Pläne informieren und sie dazu ermutigen, diese mitzutragen? In solchen Situationen ist es wichtig, einen Weg zu finden, mit den Mitarbeitenden in einen offenen Dialog zu treten.

Großgruppenmoderation ist eine sozialpsychologische Methode, um in großen Planungs- und Entscheidungsgruppen effektiv zu kommunizieren, Ideen zu sammeln und Entscheidungen zu treffen. Diese Form der Moderation wird häufig bei Konferenzen, Workshops oder anderen Veranstaltungen mit vielen Teilnehmenden (bis zu 2000) eingesetzt. In diesem Blogbeitrag möchte ich zwei gängige Methoden der Großgruppenmoderation vorstellen und erläutern, wie sie erfolgreich eingesetzt werden können.

Methode 1: World Café

Vorgehen

Das World Café fördert informelle Gespräche, die zu neuen Ideen führen können. Die Teilnehmenden sitzen an Kaffeehaustischen mit Platz für vier bis sechs Personen. Die ungezwungene Atmosphäre wird durch Café-typische Elemente unterstützt: ein "Menü" (Fragen und Anleitung zum Vorgehen), eine "Tischdecke" (Papier zum Festhalten der Ideen), ein "Besteck" (bestehend aus Stiften und Markern) sowie Snacks und Getränke.

Während der Veranstaltung erklärt ein Moderator zunächst den Ablauf. Anschließend werden die Teilnehmenden gebeten, sich an kleine Tische im Raum zu setzen, die wie Kaffeetische gedeckt sind. Dort sollen sie über ein vorgegebenes Thema diskutieren. Die Kerngedanken werden auf den Papiertischdecken festgehalten. Nach etwa 20 Minuten ist die erste Diskussionsrunde beendet. Die Teilnehmenden wechseln die Tische und bilden neue Gruppen, wobei jeweils ein Gastgeber zurückbleibt. Dieser berichtet der neuen Gruppe am Tisch über den Verlauf der vorangegangenen Diskussion und nennt die wichtigsten Ergebnisse. Anschließend diskutiert die neue Gruppe ebenfalls circa 20 Minuten über das gleiche Thema. Für die nächste und oft letzte Gesprächsrunde werden wieder neue Gruppen gebildet, in denen oft eine weiterführende Frage diskutiert wird. Nach der letzten Diskussionsrunde werden die Ergebnisse im Plenum zusammengetragen.

Mehrwert

Durch die wiederholte Befragung an verschiedenen Café-Tischen können die Teilnehmenden von einer Vielzahl von Wissensquellen profitieren und neue Erkenntnisse gewinnen. Die Vielfalt der Teilnehmenden ermöglicht es, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen und ein umfassenderes Verständnis von Sachverhalten und Herausforderungen zu entwickeln. Die Methode fördert strukturierte Klärungsprozesse und führt schnell zu konzentrierten und verwertbaren Ergebnissen.

Einsatzmöglichkeiten

World Cafés fördern den Austausch zwischen großen Gruppen von Menschen und schaffen ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Sie dienen vor allem als Einstieg in größere Veranstaltungsabläufe.

Die Durchführung eines World Cafés eignet sich, um

  • große Gruppen miteinander ins Gespräch zu bringen
  • Strategien und Aktionspläne zu entwickeln
  • neue Ideen zu generieren und zu strukturieren
  • bestehende Prozesse oder Abläufe zu optimieren

Methode 2: Future Search / Zukunftskonferenz

Vorgehen

Bereits bei der Einladung zur Zukunftskonferenz wird darauf geachtet, dass alle relevanten Akteure des „Gesamtsystems“ eingeladen werden. Dazu gehören nicht nur die direkt betroffenen Interessengruppen, sondern auch diejenigen, die mit den Folgen der getroffenen Entscheidungen konfrontiert sind. Jede dieser Gruppen bringt ihre eigene Problemsicht ein und kann wertvolles Erfahrungswissen zur Lösungsfindung beisteuern.

Eine Zukunftskonferenz gliedert sich in sechs Phasen:


Typischer Ablauf einer Zukunftskonferenz (Future Search)

Phase 1: Reflexion der Vergangenheit

In dieser Phase wird die Geschichte der Organisation oder Institution untersucht. Höhepunkte, Meilensteine und andere wichtige Entwicklungen werden zusammengetragen, um ein umfassendes Bild der Vergangenheit des Systems zu erhalten. Sowohl positive als auch problematische Entwicklungen werden aufgezeigt und Konsequenzen für die Zukunft abgeleitet. Ziel dieser Phase ist es, eine gemeinsame Basis und ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, um einen konstruktiven Dialog zu ermöglichen.

Phase 2: Bewertung der Gegenwart – außen

In dieser Phase werden Fakten und Wahrnehmungen zu Entwicklungen und Trends gesammelt, die sich auf die Organisation oder Institution auswirken. Die wichtigsten Trends werden identifiziert und auf ihre Auswirkungen hin untersucht.

Phase 3: Bewertung der Gegenwart – innen

In dieser Phase wird das Innenleben des Systems untersucht. Es wird untersucht, worauf die Beteiligten stolz sind und was sie bedauern. Die Wahrnehmungen aller Beteiligten werden gesammelt und interpretiert. Diese Phase fördert das Bewusstsein für gemeinsame Werte und regt oft einen intensiven Informationsaustausch an. Am Ende wird deutlich, welche Aspekte die Teilnehmenden in die Zukunft mitnehmen und welche sie hinter sich lassen möchten.

Phase 4: Entwicklung Zukunftsvision

Mit kreativen Methoden wird die gemeinsame Zukunft lebendig und greifbar gemacht und anschließend präsentiert. Gemeinsame Ziele, Wünsche und Hoffnungen werden sichtbar gemacht und Kernwünsche identifiziert.

Phase 5: Konsens finden

Die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Zukunftsbilder werden herausgearbeitet und zu einem gemeinsamen Zukunftsbild zusammengeführt.

Phase 6: Planung konkreter Maßnahmen

Im Anschluss erfolgt die Ergebnissicherung und der Transfer in die Praxis. Dazu werden Projektgruppen gebildet, die Maßnahmen entwickeln und Verantwortlichkeiten festlegen, um nach Abschluss der Konferenz mit der Umsetzung zu beginnen.

Die einzelnen Schritte bauen systematisch aufeinander auf. Schritt für Schritt gelangen die Beteiligten zu Erkenntnissen, die am Ende den Aktionsplan beziehungsweise die gemeinsame Strategie ergeben.

Mehrwert

Zukunftskonferenzen gehören zu den wirkungsvollsten Schlüsselinstrumenten für eine ganzheitliche und effektive Führung. Sie haben eine tiefgreifende Wirkung auf Unternehmen und Organisationen. Der „whole system“-Ansatz ermöglicht es, alle Herausforderungen bei der Problemlösung sofort zu erkennen und im selben Prozess zu lösen. Auch komplexe Probleme mit vielen Beteiligten können in kurzer Zeit gelöst werden. Der Vorbereitungsaufwand ist allerdings beträchtlich, da die Konferenz ein wesentlicher Bestandteil eines Organisationsentwicklungsprozesses ist, der sorgfältig geplant werden muss. Allein für die Durchführung einer Zukunftskonferenz sind in der Regel mindestens zweieinhalb Tage einzuplanen.

Einsatzmöglichkeiten

Diese Form der Partizipation eignet sich besonders für Organisationen und Gruppen aus Wirtschaft und Gesellschaft, die als zusammenhängendes System betrachtet werden und voneinander abhängig sind ( zum Beispiel eine Organisation und ihre Peripherie) oder zumindest eng miteinander verbunden sind, wobei ein gemeinsamer Konsens für die Zukunft grundlegend ist. Die Methode berücksichtigt das Gesamtbild und alle Facetten des Themas, was sie ideal für die Entwicklung von Lösungsansätzen für relevante Probleme macht. Sie kann auch bei Konfliktgruppen mit unterschiedlichen Interessen zur Konsensfindung eingesetzt werden.

Fazit

Die verschiedenen Konzepte der Großgruppenmoderation sind Ansätze zur Gestaltung von Kommunikationsprozessen. In der Praxis werden sie je nach Gruppengröße, Ausgangssituation und Zielsetzung angepasst. Daher werden im betrieblichen Alltag häufig Mischformen eingesetzt. Dies ist jedoch nur ein kleiner Ausschnitt der Möglichkeiten.

Große Gruppen zu managen ist eine Herausforderung. Dass es manchmal nicht klappt, kann verschiedene Gründe haben. Eine beliebte und weit verbreitete Methode ist das World Café. Wichtig ist, dass die Moderatorinnen und Moderatoren nicht müde werden zu experimentieren. Denn auch weniger verbreitete Moderationsmöglichkeiten wie RTSC-Konferenzen, Fishbowl-Diskussionen oder die Appreciative Inquiry-Methode können gute Erfahrungen bringen.

Um die gewünschten Ziele zu erreichen, ist es - so trivial es klingen mag - wichtig zu wissen, welche Ziele man überhaupt erreichen will. Denn eine Moderation oder ein Moderator kann noch so gut geschult und erfahren sein, je mehr Personen an einer Diskussion beteiligt sind, desto schwieriger wird es, Ergebnisse zu erzielen. In der Vorbereitung ist es daher wichtig, herauszuarbeiten, welches konkrete Thema diskutiert werden soll. Dabei ist darauf zu achten, dass die Fragen aufeinander aufbauen, aber dennoch trennscharf sind und einen möglichst kreativen Austausch erzeugen. Nicht zuletzt ist es daher auch für die Moderation oder den Moderator wichtig zu wissen, welche Teilnehmenden eine eher konventionelle Sichtweise haben und welche neue Erkenntnisse einbringen. Eine entscheidende Aufgabe ist es daher auch, zurückhaltende, stille Teilnehmende zu ermutigen, sich einzubringen und dominante, laute Teilnehmende daran zu hindern, die Diskussion an sich zu reißen.

Bild Viktoria Düngfelder

Autorin Viktoria Düngfelder

Viktoria Düngfelder ist seit 2021 für adesso als Consultant tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte bilden das UX Design und das Requirements Engineering.

Kategorie:

Methodik

Schlagwörter:

Requirements Engineering

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