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Requirements Engineering ist eine Disziplin in der Softwareentwicklung, durch die sichergestellt wird, dass die Bedürfnisse, Erwartungen und Wünsche der Stakeholder erfüllt werden, sie bildet die Grundlage für den gesamten Entwicklungsprozess. Weiter dient sie der Vermeidung von Fehlentwicklungen, der eindeutigen Zieldefinition, einer besseren Projektplanung und der Minimierung von Projektrisiken.

Im vorherigen Blogbeitrag wurde ein generelles Verständnis für die verschiedenen Ermittlungstechniken geschaffen.

Im nächsten Schritt wagen wir uns tiefer in die Materie, um zu verstehen, wie wir die Leistungsfaktoren für unser Projekt identifizieren und ermitteln können.

Befragung und Kollaboration

Dieser Beitrag fokussiert sich auf die Ermittlung von Leistungsfaktoren und erklärt, welche Vor- und Nachteile die Techniken der Befragung und Kollaboration bergen, welche Stolpersteine vermieden werden müssen und was es generell bei der Umsetzung zu beachten gilt.

Leistungsfaktoren sind Anforderungen, die die Zufriedenheit der Stakeholder proportional zu ihrem Erfüllungsgrad steigern. Je mehr Leistungsanforderungen erfüllt werden, desto grösser ist die Zufriedenheit der Stakeholder, je weniger erfüllt werden, desto geringer die Zufriedenheit. Diese Anforderungen werden nicht als selbstverständlich angesehen und sind meist bewusste Anforderungen, die explizit von den Stakeholdern gefordert werden.

Kundenzufriedenheit 2.0

Obwohl Befragungs- und Kollaborationstechniken für die Ermittlung aller drei Faktoren (Basis-, Leistungs-, und Begeisterungsfaktoren) verwendet werden können, bieten sie speziell für die Ermittlung der Leistungsfaktoren das grösste Potenzial, um die bewussten Anforderungen unserer Stakeholder zu ermitteln.

Ermittlungstechnik 4.0

Befragungstechniken

Befragungstechniken bieten die Möglichkeit, direkt mit den betroffenen Stakeholdern in Kontakt zu treten und diverse Inputs für die Anforderungen sammeln zu können. Dabei unterscheiden sie sich stark in ihren Vor- und Nachteilen und in den Stolpersteinen, die es zu vermeiden gilt.

Interviews

Interviews sind strukturierte, halbstrukturierte oder unstrukturierte Gespräche mit Stakeholdern, um Anforderungen direkt zu ermitteln. Während strukturierte Interviews auf die Beantwortung von im Vorfeld bereits definierten Fragen abzielt, ermöglicht ein halb- oder unstrukturiertes Interview die Möglichkeit, dass weitere wertvolle Informationen von den Stakeholdern eingebracht werden können, über dessen Existenz wir uns vorher nicht bewusst waren.

Vorteile:

  • Direkte und gezielte Informationsgewinnung
  • Möglichkeit zur Klärung von Missverständnissen in Echtzeit
  • Erlaubt eine tiefgehende Analyse individueller Anforderungen

Nachteile:

  • Zeitaufwendig in Vorbereitung, Durchführung und Auswertung
  • Gefahr von subjektiven Verzerrungen in der Interpretation der Fragen und Antworten
  • Im Vergleich zu Fragebögen können weniger Personen einbezogen werden

Schwierigkeiten und Stolpersteine:

  • Unklare Fragestellungen können zu falschen oder ungenauen Antworten führen
  • Auswahl der richtigen Stakeholder für Interviews und deren Verfügbarkeit
  • Ohne strukturierten Leitfaden oder Wissen über die Domäne des Interviewers, können wichtige Anforderungen übersehen werden

Was gilt es zwingend zu beachten?

  • Gut vorbereitete Fragen, die den Kontext des Projekts berücksichtigen
  • Aktives Zuhören und gezieltes Nachfragen
  • Dokumentation der Antworten zur späteren Validierung
Fragebögen

Fragebögen sind schriftliche Erhebungsmethoden, bei denen Stakeholder ihre Anforderungen in einem strukturierten Format beantworten. Sie sind besonders hilfreich, um viele Meinungen in kurzer Zeit in einem strukturierten Format einzuholen.

Vorteile:

  • Effizient für die Erhebung vieler Meinungen
  • Standardisierte Antworten erleichtern die Auswertung
  • Geringerer Aufwand als bei Interviews

Nachteile:

  • Keine Möglichkeit zur spontanen Klärung von Unklarheiten
  • Gefahr unvollständiger oder missverständlicher Antworten
  • Geringe Motivation der Stakeholder, die Fragen ausführlich zu beantworten

Schwierigkeiten und Stolpersteine:

  • Gestaltung der Fragen muss klar, präzise und verständlich sein
  • Fehlende Flexibilität, falls sich neue Fragestellungen ergeben
  • Unvollständige Rücksendung von Fragebögen und eine geringe Rücklaufquote

Was gilt es zwingend zu beachten?

  • Klare und einfache Formulierungen verwenden
  • Fragen auf die Zielgruppe zuschneiden
  • Fachlich oder technisch sehr komplexe Fragen vermeiden
  • Mischung aus geschlossenen und offenen Fragen für qualitative und quantitative Erkenntnisse
  • Pilot-Test des Fragebogens zur Validierung der Verständlichkeit

Anstatt sich nur für eine der beiden Techniken zu entscheiden, empfiehlt es sich, sowohl Interviews als auch Fragebögen in die Ermittlung der Anforderungen zu inkludieren. So können beispielsweise durch einen Fragebogen viele Meinungen und Inputs in kurzer Zeit strukturiert eingeholt werden, die dann anschliessend anhand der gewonnenen Erkenntnisse gezielt durch Interviews mit relevanten Stakeholdern vertieft und analysiert werden können.

Kollaborationstechniken

Kollaborationstechniken bieten die Möglichkeit, Anforderungen gemeinsam und explorativ zu ermitteln. Sie fördern den aktiven Austausch mit den relevanten Stakeholdern und bieten die Möglichkeit, Anforderungen in einem detaillierten Feinheitsgrad auszuarbeiten.

Workshops

Beschreibung:

Workshops sind moderierte Gruppensitzungen, in denen Stakeholder gemeinsam Anforderungen erarbeiten und priorisieren.

Vorteile:

  • Fördert aktive Beteiligung und Diskussion
  • Direkte Klärung von Fragen und Anforderungen
  • Ermöglicht gemeinsames Verständnis und Konsensbildung Nachteile:
  • Grosser organisatorischer Aufwand
  • Gefahr dominanter Teilnehmer, die andere Stimmen überlagern
  • Hoher Zeit- und Kostenfaktor (Produktivitätsausfall, Reisezeit und damit verbundene Kosten)

Schwierigkeiten und Stolpersteine:

  • Fehlende Struktur kann zu ineffizienten Diskussionen führen
  • Unterschiedliche Meinungen können zu Konflikten führen
  • Zeitmangel kann dazu führen, dass nicht alle Aspekte besprochen werden
  • Schwierigkeit, alle relevanten Stakeholder einzubinden

Was gilt es zwingend zu beachten?

  • Klare Moderation und Strukturierung des Workshops
  • Verwendung geeigneter Methoden, wie Rollenbasiertes Denken, World Café oder User-Story workshops
  • Dokumentation der Ergebnisse für die spätere Nachverfolgung
Crowd-basiertes Requirements Engineering

Crowd-basiertes Requirements Engineering nutzt die kollektive Intelligenz einer grossen Nutzergruppe (z. B. über Online-Plattformen), um Anforderungen zu sammeln und zu bewerten.

Vorteile:

  • Grosse Menge an Input aus verschiedenen Perspektiven
  • Erlaubt iterative Verfeinerung von Anforderungen
  • Geringer Initialaufwand für die Organisatoren

Nachteile:

  • Schwierigkeit, relevante von irrelevanten Anforderungen zu unterscheiden
  • Gefahr von Spam oder irrelevanten Beiträgen
  • Hoher Aufwand für die Analyse der gesammelten Anforderungen

Schwierigkeiten und Stolpersteine:

  • Notwendigkeit einer strukturierten Plattform zur Sammlung und Bewertung von Anforderungen
  • Mangel an Kontrolle über die Qualität der Beiträge
  • Anonymität kann zu unzuverlässigen oder unsachlichen Beiträgen führen

Was gilt es zwingend zu beachten?

  • Klare Vorgaben zur Erhebung der Anforderungen
  • Mechanismen zur Bewertung und Filterung der gesammelten Beiträge
  • Regelmässige Kommunikation mit der «Crowd» zur Qualitätssicherung

Die Auswahl der richten Kollaborationstechnik basiert stark auf der Stakeholder-Zielgruppe. Möchte man möglichst viele End-Nutzer erreichen, die sich ausserhalb der Firma befinden, bieten Crowd-basierte Methoden eine hervorragende Möglichkeit Anforderungen zu ermitteln. Ist die Anzahl der betroffenen Stakeholder eher klein, oder sind die Stakeholder sogar ausschliesslich in der eigenen Firma, bieten Workshops die Möglichkeit Anforderungen kollaborativ zu ermitteln. Ausserdem gibt es die Möglichkeit, zunächst anhand crowd-basierten Methoden viele Anforderungen zu sammeln und diese anschliessend mit einer Fokusgruppe im Detail zu verfeinern.

Fazit

Die Wahl der richtigen Ermittlungstechnik hängt von den Projektzielen, der Stakeholderstruktur und den vorhandenen Ressourcen ab. Interviews und Fragebögen bieten eine direkte Möglichkeit, Informationen von Stakeholdern zu sammeln, während Workshops und Crowd-basiertes RE die Zusammenarbeit und den kreativen Austausch fördern. Leistungsfaktoren richtig zu identifizieren, ist kein Zufall – sondern das Ergebnis kluger Methodik und echter Zusammenarbeit. Gemeinsam bringen wir Ihre PS auf die Strasse und Sie auf den Pfad zu zufriedeneren Stakeholdern und erfolgreichen Projekten! Nutzen Sie unser Know-how, um aus Anforderungen greifbare Ergebnisse zu machen.

Bild Simon Meier

Autor Simon Meier

Simon Meier arbeitet seit 2019 als Business Consultant für adesso Schweiz und hat als Business Analyst und Projekt Manager bereits verschiedene klassische und agile Projekte umgesetzt. Dabei konnte er sein methodisches und fachliches Wissen stetig weiterentwickeln und hat seine Projekte durch individuelle Lösungsansätze zum Erfolg geführt.

Kategorie:

Branchen

Schlagwörter:

Requirements Engineering