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Insbesondere im Winter gelangt das Ziel der Energiewende – Energien zu 100% aus Erneuerbaren Quellen zu gewinnen – an seine Grenzen. Denn derzeit sind wir in Deutschland im Winter noch zum Großteil auf fossile Energieträger für die Wärmebereitstellung und Stromerzeugung angewiesen. Doch welche Auswirkungen auf die Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien bringt der Winter mit sich? Genau diese Frage widmen wir uns in diesem Blog-Beitrag.

Auswirkungen des Winters auf Erneuerbare Energien


Eigene Darstellung nach Fraunhofer ISE / Energy Charts (https://www.energy-charts.info)

Photovoltaik

Die am häufigsten verbreitete Art der Nutzung von Sonnenenergie stellen Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) dar. Dazu werden Solarzellen in einer Anlage verbaut, die Photonen der Sonnenstrahlen absorbieren und in elektrische Energie umwandeln. Diese Anlagen finden in der Gesellschaft immer größeren Anklang und sind in einigen Bundesländern auf den Dächern von (Gewerbe-)Immobilien verpflichtend.

Im Winter scheint weniger Sonne, weil die Erde während ihrer Umlaufbahn um die Sonne eine größere Neigung zur Sonne besitzt. So werden die Wintertage kürzer und es ergeben sich in Summe weniger Sonnenstunden. Dies muss aber nicht zwingend bedeuten, dass der Winter für Photovoltaikanlagenbesitzerinnen und -Besitzer eine unliebsame Jahreszeit ist. Die Effizienz der Anlagen steigt durch verschiedenste Faktoren geringfügig an. Schnee kann Photovoltaikanlagen in der Regel recht wenig anhaben, durch die glatte Oberfläche und den Neigungswinkel rutscht Schnee bei leichtem Antauen in der Regel direkt ab. Wenn der Schnee doch mal auf den Kollektoren liegen bleiben sollte, empfiehlt man allerdings keine eigenhändige Entfernung mit dem Besen oder anderen Haushaltswerkzeugen. Photovoltaikkollektoren sind empfindlich und zu groß ist die Gefahr, etwas an der Anlage zu zerstören.

Der Vorteil im Winter besteht darin, dass die Luft klarer ist als zu anderen Jahreszeiten, sodass es zu weniger Reflektionen von Sonnenlicht durch Luftpartikel kommt. Der Grund liegt darin, dass im Winter in der Regel eine geringere Luftfeuchtigkeit als im Sommer vorliegt, sodass weniger Wasser bzw. Wasserdampf in der Luft gebunden ist. Dieser gebundene Wasserdampf wiederum beeinflusst die Reflektion von Licht. Außerdem kann es vor allem im Sommer aufgrund von Überhitzung von Kollektormodulen zu Ausfällen von PV-Anlage kommen. Diese Angst kann man im Winter getrost niederlegen und sich an der PV-Anlage auf dem heimischen Dach erfreuen.

Trotz aller Vorteile ist eine Photovoltaikanlage im Winter keine allgemeine Lösung zur alleinigen Stromversorgung, sodass auch andere Möglichkeiten der umweltfreundlichen Energiegewinnung in den Fokus rücken. Insbesondere bei einem regnerischen Winter, wie er in diesem Jahr auftritt ist die PV-Anlage leider sehr eingeschränkt in ihrer Fähigkeit. Grund dafür ist die Lichtbrechung durch den Regen, so lässt sich pauschal sagen, dass die Sichteinschränkung mit der Leistungsabnahme der Anlage korreliert.

Windkraft

Eine weitere Möglichkeit, um aus den Gegebenheiten der Natur eine umweltfreundliche Energieversorgung sicherzustellen, ist die Verwendung von Windkraftanlagen. Heutzutage decken die windbetriebenen Riesen rund 4% der globalen Energieversorgung ab. Ist die Funktionalität allerdings auch im Winter gegeben oder müssen wir bei der Effizienz von Windkraftanlagen bei Kälte, Schnee und Eis erhebliche Abstriche machen?

Nein, denn rund zwei Drittel der gesamten Windstromerzeugung findet im Winterhalbjahr statt! Das liegt vor allem daran, dass die Erde im Winter weniger Energie von der Sonne aufnimmt. Dadurch sinkt die Lufttemperatur, was zu einer Verringerung der Luftdichte führt. Die kalte Luft ist dann insgesamt schwerer als die warme Luft und sinkt daher ab. Dies führt zu einer Erhöhung des Luftdrucks in tieferen Schichten und zu einem Unterschied in den Luftdruckverhältnissen zwischen hohen und tiefen Schichten. Dieser Luftdruckunterschied hat einen Druckausgleich zur Folge, der sich in Form von Wind äußert. Im Winter ist die Luft in tieferen Schichten der Erdatmosphäre also weniger dicht und der Luftdruck ist höher als in höheren Schichten, wodurch der Wind stärker wird.

Doch nicht jede Windbewegung lässt sich energetisch sinnvoll nutzen, nach dem Betz’schen Gesetz lassen sich in einer Windkraftanlage maximal 59,26% der mechanisch auf die Rotorblätter übertragenen Energie in elektrische Energie umwandeln.

Ein anderer Punkt, der die Funktionalität und Effizienz von Windkraftanlagen im Winter beeinflussen kann, ist die Bildung von Eisblöcken auf den Rotorblättern. Dies ist zum einen für Mensch und Tier gefährlich, da die Eisblöcke mit einem Gewicht von teils mehreren Kilogramm hunderte Meter weit geschleudert werden können, zum anderen aber auch die aerodynamische Funktion der Rotorblätter negativ beeinflusst. Diese Problematik kann eine Einbuße von bis zu 10% bezogen auf die Jahreseffizienz mit sich bringen, ist also offensichtlich nicht unerheblich. Um die Sicherheit der Anlagen zu erhöhen, werden häufig Sensoren installiert, die dafür sorgen, dass sich die Windkraftanlagen bei zu starkem Eisbefall selbständig abschalten.

Wasserkraft

Bei der Nutzung von Wasserkraft hingegen muss man sich keine Sorgen um vereiste Rotoren oder umherfliegende Eisblöcke machen. Es ist trotzdem wichtig, dass Wasserkraft nicht pauschaliert wird, denn es gibt hauptsächlich zwei Arten von Wasserkraftwerken: Laufwasserkraftwerke und Speicherkraftwerke.

Beide Arten funktionieren auf ähnliche Weise: Wasser wird durch eine Stauanlage zurückgehalten und dann durch eine oder mehrere Turbinen geleitet, die wiederum einen Generator antreiben. Diese Generatoren wandeln die Rotationsenergie der Turbinen in elektrische Energie um, welche dann in das Stromnetz eingespeist werden kann.

Es wird deutlich, dass für eine effiziente Nutzung beider Kraftwerkstypen ein gewisser Wasserstand benötigt wird. In Deutschland dürfen wir auch in Zukunft einen Winter erwarten, doch wird dieser deutlich wärmer ausfallen, als wir es normalerweise gewohnt sind. Dies führt dann nach derzeitigen Prognosen zu einem hohen Wasserstand in Seen und Flüssen im Winter. Gleichzeitig werden die Schwankungen der Wasserstände in den Jahresverläufen immer volatiler, sodass der Wasserstand im Mittel nur minimale Veränderungen erfahren wird. Demgegenüber wird der Sommer durch steigende Temperaturen immer trockener, sodass die Situation angespannter wird.

Allerdings ist bei Wasserkraft mehr nicht immer besser, denn die Turbinen sind für eine gewisse Durchlaufmenge ausgelegt und haben somit eine Leistungsgrenze. Bei diesen Entwicklungen wird deutlich, dass das Maximum der Energiegewinnung aus Wasserkraft im Winter liegen kann. Allgemeingültige Aussagen sind an dieser Stelle allerdings nicht sinnvoll, da jede Anlage von vielen Faktoren abhängig ist. Dazu zählt zum einen das Gefälle als auch die geographische Lage der Anlage. Ein weiterer Punkt, der für die Wasserkraft sprechen kann, ist die durchaus hohe Effizienz, diese liegt nämlich bei rund 85% bis 90% und ist damit deutlich höher als bei den zuvor vorgestellten Anlagen. Durch sogenannte Eis Stöße kann die Effizienz der Anlagen allerdings erheblich sinken und sogar zu einem Totalausfall führen. Diese entstehen, wenn sich das Wasser bei einer Temperatur unter dem Gefrierpunkt schnell bewegt. Durch die Bewegung verliert das Wasser Wärme an die umgebende Luft, wodurch es gefriert und Eis Stöße bildet. Diese Eisschollen werden dann durch die Fortbewegung des Wassers verbreitet und wachsen, bis sie schließlich das gesamte Gewässer einfrieren. Ein solches Ereignis ist allerdings selten zu beobachten, lässt sich aber dennoch nicht gänzlich ausschließen.

Unsere Expertise bei adesso

Im Allgemeinen gibt es verschiedene Möglichkeiten, um zuvor genannte Risiken zu minimieren oder gänzlich zu eliminieren. Dazu zählen beispielsweise die Installation von Heizanlagen in Windkraftanlagen, um das Einfrieren von Rotoren zu verhindern. Dies erhöht die Effizienz und verringert das Risiko vom bereits erläuterten Eiswurf, der eine Gefahr für Mensch und Tier darstellt. Auch für Photovoltaikanlagen gibt es sinnvolle Möglichkeiten, sodass auch im Winter nur geringe Effizienzeinbußen entstehen. Wie bereits erwähnt sollte der Schnee und Eis nicht selbst von den PV-Anlagen entfernt werden, da die Gefahr etwas zu beschädigen schlichtweg zu groß ist. Lieber sollte man einen Fachbetrieb beauftragen, jedoch sollte abgewogen werden, inwiefern die Entfernungsmaßnahmen finanziell sinnvoll sind.

Wir bei adesso beschäftigen uns intensiv mit der energetischen und effizienten Versorgungssicherheit. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit dem VideKIS-Projekt eine softwareseitige Lösung schaffen, um im Winter als auch im restlichen Jahr eine effiziente Nutzung von Erneuerbare-Energien-Anlagen zu garantieren. Das VideKIS-Projekt zielt darauf ab, Systemdienstleistungen für das Stromnetz zu optimieren und zu automatisieren, indem es kleineren Erneuerbaren-Energien-Anlagen ermöglicht, in einem virtuellen Kraftwerk eingebunden und aggregiert zu werden. Dadurch werden die dezentralen Erneuerbare-Energien-Anlagen befähigt an der Bereitstellung von Systemdienstleistungen teilzunehmen. Dazu wird ein Marktmodell für den Virtuellen Kraftwerksverbund, ein KI-gestütztes Bilanzierungs- und Abrechnungsmodell und die Einsatzmöglichkeiten des Kraftwerkverbundes unter den regulatorischen Vorgaben entwickelt und untersucht. Das Projekt adressiert die Herausforderungen, die sich für Netzbetreiber durch den Wandel in der Energiewirtschaft ergeben und die Einbeziehung von Erneuerbaren-Energien-Anlagen in die Bereitstellung von Systemdienstleistungen erschweren.

Du willst mehr über das Forschungsprojekt erfahren, dann schau vorbei bei dem Stadtwerke Impact Day in Lübeck am 26.01.2023

Weitere spannende Themen aus der adesso-Welt findet ihr in unseren bisher erschienen Blog-Beiträgen.

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Autor Timo Hartmann

Timo Hartmann ist Student der Wirtschaftsinformatik an der TU Braunschweig. Als studentischer Mitarbeiter bei adesso ist er in der Line of Business Utilities tätig. Innerhalb des Forschungsprojektes VideKIS konzentriert er sich auf die Entwicklung von virtuellen Kraftwerken und insbesondere auf Strategien zur Implementierung der Prozesse im Rahmen der Marktkommunikation.

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Autorin Ellen Szczepaniak

Ellen Szczepaniak ist eine erfahrene Projektmanagerin mit Schwerpunkt in der Beratung von Unternehmen der Energiewirtschaft. In ihren Projekten hat sie sowohl Erfahrungen als Requirements Engineer und Scrum Master im agilen Umfeld als auch als Interaction Room Coach und Managementberaterin in klassischen Projekten gesammelt. Sie zeichnet sich insbesondere durch ihre strukturierte und analytische Vorgehensweise sowie ihre Expertise im Kontext der Energiewirtschaft und Elektromobilität aus.

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Autor Simon Bächle

Simon Bächle ist Berater für die Line of Business Utilities bei adesso. Seine Arbeitsschwerpunkte bilden das agile Projektmanagement sowie die Anwendung von Data Science in der Energiewirtschaft. Darüber hinaus beschäftigt er sich als Business Analyst im Forschungsprojekt VideKIS mit der Entwicklung eines neuartigen virtuellen Kraftwerks.

Kategorie:

Branchen

Schlagwörter:

Energiewirtschaft

Forschung

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