5. Oktober 2022 von Georg Benhöfer, Stephen Lorenzen und Lars Zimmermann
Warme Socken Kampagne - Bund verordnet kurzfristige Energiesparmaßnahmen
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine bedroht seit seinem Beginn die sichere Energieversorgung Europas und Deutschlands. In den vergangenen Jahren wurden zu dieser Jahreszeit im Mittel ca. 3,2 Milliarden m³ Erdgas pro Woche aus Russland in die EU importiert. Zuletzt wurden in der Kalenderwoche 36 rund 600 Millionen m³ importiert – also rund 80 Prozent weniger. In Deutschland selbst ist der Gasfluss der Pipeline Nord Stream 1 seit Ende August auf null gesunken. Entsprechend ist die Energiesicherheit seit vielen Wochen ein dauerhaftes Thema und politisch wird mit Hochdruck an Lösungen gearbeitet. Eine dieser Lösungen ist die Verordnung über kurzfristige Energieeinsparmaßnahmen (EnSikuMaV). Zweck der Verordnung ist die Umsetzung kurzfristiger Energiesparmaßnahmen, insbesondere in Wohn- und Nichtwohngebäuden. Die Regelungen betreffen öffentliche Unternehmen, die Energie-, Immobilien- und Tourismuswirtschaft sowie den Handel.
Die wesentlichen Maßnahmen im Überblick
Gas- und Fernwärmelieferanten müssen eine Reihe von Informationspflichten umsetzen. Sie müssen ihren Kunden einmalig bis zum 30. September beziehungsweise spätestens bis zum 31. Dezember 2022 die Energiekosten und den Energieverbrauch der letzten sowie der aktuellen Abrechnungsperiode mitteilen. Außerdem müssen sie das Einsparpotenzial bei einer Raumtemperatursenkung um einen Grad Celsius auf Grundlage der zu erwartenden Preise der Grundversorgung ermitteln und ebenfalls ihren Kundinnen und Kunden mitteilen.
Weiterhin gibt es Vorschriften zu öffentlichen Nichtwohngebäuden. Dazu zählen zum Beispiel Rathäuser, aber auch Unternehmen, die die öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge erbringen und unter der finanziellen oder politischen Kontrolle einer Gebietskörperschaft stehen. Damit sind je nach Eigentümerstruktur mitunter auch Stadtwerke betroffen. Die wichtigsten Vorschriften für öffentliche Nichtwohngebäude sind:
- Grundsätzlich dürfen keine Flächen mehr beheizt werden, die nicht dem Aufenthalt von Personen dienen. Ausnahmen sind hierbei sensible Einrichtungen wie beispielsweise Schulen oder Krankenhäuser.
- Für Arbeitsräume in öffentlichen Nichtwohngebäuden ist eine Maximaltemperatur von 12 bis 19 Grad vorgeschrieben, abhängig von der Art der dort verrichteten Arbeit.
- Durchlauferhitzer oder Boiler, wie es sie klassischerweise in Teeküchen oder WCs gibt, sowie andere dezentrale Trinkwassererwärmungsanlagen müssen abgeschaltet werden.
Für Arbeitsräume in Arbeitsstätten gelten Mindesttemperaturwerte von 12 bis 19 Grad. Unternehmen ist es also trotz Arbeitsschutzrichtlinie gestattet, ihre Arbeitsräume auf nicht wärmer als 19 Grad aufzuheizen.
Daneben gibt es weitere kleinere Maßnahmen:
- Im Einzelhandel dürfen Ladentüren nicht mehr dauerhaft offen stehen.
- Werbeanzeigen dürfen zwischen 22.00 und 16.00 Uhr nicht mehr beleuchtet werden. Ausgenommen sind hiervon Beleuchtungen, die im weiteren Sinne zur Straßenbeleuchtung zählen, etwa die Beleuchtung an Tankstellen.
- Ebenfalls dunkel bleiben Gebäude und Denkmäler, die nicht mehr von außen beleuchtet werden dürfen.
- Die Nutzung von Gas oder Strom zum Beheizen privater Pools ist verboten.
Hoher Aufwand zur Informationspflicht und viele kleine Stellschrauben
Mit den Maßnahmen der Verordnung soll an möglichst vielen, auch kleinen Stellen Erdgas eingespart werden. Insbesondere die Informationspflicht der Gas- und Fernwärmelieferanten wird zu einem großen Umsetzungsaufwand führen. Der BDEW kritisiert diese Maßnahme entsprechend, konnte sich im Rahmen der Anhörungen zum Verfahren aber nicht durchsetzen. Für Mieterinnen und Mieter bedeutet das hoffentlich demnächst mehr Transparenz über drohende Nachzahlungen.
Die Verordnung über kurzfristige Energieeinsparmaßnahmen macht einmal mehr klar: Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation. Jeder Tausch von einem Grad Celsius gegen ein Paar dicke Socken und einen warmen Pullover hilft. Nicht nur der Energiesicherheit Deutschlands, sondern auch den Menschen in der Ukraine.