Menschen von oben fotografiert, die an einem Tisch sitzen.

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Der Hintergrund des Projekts

Auch wenn man zuerst denken möchte, Autorennbahnen wären nur etwas für Spielkinder - der Hintergrund des Projekts ist ein sehr ernster. Die Idee entstand aus dem Forschungsprojekt “Intelligente Verkehrsinfrastruktur zum sicheren und vernetzten Fahren in der Megacity” (kurz InVerSiV), an dem, neben der TU Dortmund und einigen Automobilpartnern, auch adesso beteiligt ist. Ziel der Forschung ist es, den Verkehrsraum für autonome Fahrzeuge leichter erfassbar zu machen. Durch die Verknüpfung der Sensorik der Verkehrsteilnehmer mit standortfesten Sensoren (z.B. in Straßenlaternen oder Leitpfosten) kann eine sehr detaillierte Umfeldkarte erstellt werden, die weit über den Erfassungsbereich des einzelnen Fahrzeugs hinausgeht. Was mit solchen Daten im Verkehr der Zukunft möglich wäre, zeigen wir in unserem Modell.

Die digitale Rennbahn

Die ersten Experimente führten wir an einer klassischen Carrera-Bahn durch, die in der neusten Produktgeneration bereits über Bluetooth-Konnektivität verfügt. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass die Schnittstelle eher für den Rennbetrieb ausgelegt ist als für eine ernsthafte Verkehrssimulation. So lassen sich zwar ganze Runden präzise und zeitlich erfassen und zählen, aber nicht die Position der Fahrzeuge auf der Strecke. Die Geschwindigkeit lässt sich über Tricksereien zwar festlegen, allerdings nur auf eine von 16 fest definierten Motorspannungen. Für unsere Zwecke reicht das leider nicht aus.

Bei unserer Suche nach alternativen Plattformen stießen wir deshalb bald auf Anki Overdrive. Der amerikanische Hersteller bewirbt sein Produkt als “die Rennbahn der Zukunft” - und tatsächlich wirkt die Bahn deutlich moderner als das Carrera-Pendant. Auf den ersten Blick fällt auf, dass die Fahrzeuge hier nicht durch Schlitze in der Fahrbahn gelenkt werden, sondern selbst lenken müssen. Zudem fehlen die klassischen Handregler für die Geschwindigkeit. Stattdessen steuert man die Rennautos über eine App auf dem Smartphone.

Die technische Umsetzung

Genau an diesem Punkt starten wir und ersetzen die Smartphone-App durch einen Raspberry Pi mit unserer eigenen Software. Die Kommunikation erfolgt über Bluetooth LE. Das verwendete Protokoll hat der Hersteller dankenswerterweise größtenteils offengelegt. Tatsächlich sind die kleinen Fahrzeuge erstaunlich schlau und nehmen uns bereits einiges an Arbeit ab. Durch eine Kamera unter dem Fahrzeugboden erfassen sie ein Linienmuster, das unter der infrarotdurchlässigen Oberfläche der Streckenteile verborgen ist. Das Muster besteht aus vielen feinen Leitlinien, anhand derer die Fahrzeuge den Streckenverlauf erkennen und ihm selbstständig folgen können. Ergänzt werden die Leitlinien durch einen barcodeähnlichen Streckencode, der Informationen über die Art des Streckenstücks (Gerade, Kurve, Kreuzung, etc.) sowie über den Abstand von der Fahrbahnmitte enthält.

Über die Bluetooth-Schnittstelle senden die Autos jedes Mal eine Nachricht, wenn sie ein Stück des Streckencodes erfasst haben oder ein neues Streckenstück erreichen. Gleichzeitig erwarten die Fahrzeuge jederzeit neue Befehle in Form von Geschwindigkeits- oder Spurwechselkommandos. Die Geschwindigkeit lässt sich hier sehr präzise in Millimetern pro Sekunde setzen, wobei die Spur durch den Abstand von der Fahrbahnmitte in Millimetern bestimmt wird.

Mit diesen Möglichkeiten lässt sich bereits einiges anfangen. Für unsere Kreuzungssteuerung muss die Software aber die aktuelle Position jedes Fahrzeugs genau vorhersagen können. Dazu benötigen wir zunächst ein Modell der Rennstrecke, das nach Belieben aus einzelnen Streckensegmenten zusammengesetzt werden kann. Vor jedem Einsatz fährt daher ein Fahrzeug die gesamte Strecke mit niedriger Geschwindigkeit ab. Aus den dabei gelesenen Streckencodes kann unsere Software die Strecke nach und nach zusammensetzen, bis eine vollständige Karte bekannt ist. Anhand dieser können wir aus den Fahrzeugdaten die genaue Position errechnen und auch visuell darstellen.

Die intelligente Kreuzung

Nachdem die technischen Voraussetzungen geschaffen sind, können wir uns nun endlich um die eigentliche Fahrzeugsteuerung kümmern.

Jedes Fahrzeug wird dabei von einem autonomen Agenten kontrolliert, der außer seinen eigenen Fahrzeugdaten nur die Streckenkarte und die Schnittstelle der Kreuzung kennt. Die Absprache der Fahrzeuge untereinander erfolgt also ausschließlich über die Infrastruktur.

Sobald sich ein Fahrzeug der Kreuzung nähert, meldet es sich ab einer bestimmten Entfernung mit seiner aktuellen Geschwindigkeit, der geplanten Ankunftszeit und der gewünschten Fahrtrichtung an der Kreuzung an und reserviert ein Zeitfenster, in dem es die Kreuzung sicher überqueren kann. Anschließend reguliert das Fahrzeug seine Geschwindigkeit durch leichtes Bremsen oder Beschleunigen so, dass es die Kreuzung genau zum richtigen Zeitpunkt erreicht.

Fazit

Auf Basis von Anki Overdrive ist bei adesso eine anschauliche Plattform zur Demonstration aktueller Technologien entstanden, die noch viel Raum für zukünftige Ideen auf dem Gebiet des autonomen Fahrens bietet. So ist unter anderem eine Erweiterung um eine digitale Mautstation mit der Blockchain-Technologie geplant. Im Sommer fand mit dem adesso University Circle bereits ein Workshop statt, der Studenten anhand von Anki Overdrive einen Einblick in die Methoden der Künstlichen Intelligenz geben konnte.

Das entwickelte Java-Framework ist im Rahmen der adesso-Open-Source-Initiative auf Github veröffentlicht worden und bietet interessierten Entwicklern die Möglichkeit, eigene Ideen auf der Anki-Overdrive-Plattform umzusetzen.

Bild Yannick Eckey

Autor Yannick Eckey

Yannick Eckey studiert Informatik an der Technischen Universität Dortmund und ist für adesso als studentischer Mitarbeiter im Digital Experience Lab der Dortmunder Geschäftsstelle tätig. Dort arbeitet er an verschiedenen Projekten im Themenfeld “Internet of Things” und hat den InVerSiV-Showcase maßgeblich entwickelt.

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