openEHR

adesso Blog

Wie wirkt openEHR im Alltag, und was bedeutet es für die Schweiz? In diesem zweiten Teil meiner Serie skizziere ich eine Zukunftsvision mithilfe eines fiktiven Musterspitals, das den Standard nutzt, um Datenprobleme zu lösen und Personal zu entlasten. Wir schauen auch, welche Chancen openEHR für die Schweiz bietet.

Entscheider:innen und Fachkräfte, die Praxis und Potenzial suchen – aufgepasst! Wir beleuchten, wie openEHR funktioniert und warum es Zukunft hat: verständlich und mit realen Beispielen untermauert. Erfahren Sie, was möglich ist!

Das Musterspital als Praxisbeispiel

Wie funktioniert openEHR in der Praxis? Um das zu zeigen, betrachten wir das fiktive Musterspital als theoretisches Beispiel. Es ist ein Schweizer Spital, das auf openEHR umgestiegen ist. Vor der Umstellung war die Situation alles andere als optimal. Das damalige KIS, ein monolithisches Produkt, speicherte Daten in proprietären Formaten, die für andere Systeme kaum zugänglich waren. Innerhalb des Spitals entstanden Silos: Jede Abteilung hatte ihre eigenen Datenbestände. Projekte, wie die anonymisierte Datenvermarktung oder die Zusammenarbeit mit Forschungspartnern, scheiterten regelmässig an den technischen Hürden und der Abhängigkeit vom KIS-Hersteller. Gleichzeitig wuchs der Druck: Die Geschäftsleitung sah Potenzial in der Datennutzung für Forschung und Innovation, während die wissenschaftlich tätige Ärzteschaft einen einfacheren Zugriff auf strukturierte Informationen forderte.

Mit der Einführung von openEHR änderte sich die Lage grundlegend. Der Standard brachte Struktur in die Datenflut. Die lästigen Silos verschwanden. Anpassungen wurden deutlich einfacher: statt komplexen Änderungen am gesamten KIS reichte ein neues Template. Das KIS selbst konzentrierte sich fortan auf Benutzerfreundlichkeit und Funktionen. Für die Forschung öffnete sich eine neue Welt: strukturierte, anonymisierbare Daten konnten leichter geteilt werden. Auch der Einsatz von KI rückte in greifbare Nähe – etwa für die Analyse von Patientenverläufen oder die Vorhersage von Behandlungsergebnissen. Das Personal profitierte ebenfalls: zeitaufwendige Datenaufbereitung entfiel, und ärztliches Personal konnte sich verstärkt auf die Patient:innen fokussieren.

Die Umstellung selbst war jedoch herausfordernd. Zunächst wurde eine umfassende Analyse durchgeführt, die Datenschutz und Sicherheit in den Vordergrund stellte. Es war entscheidend, dass die Daten nicht nur sicher gespeichert, sondern auch gemäss dem Gesetz verwendet wurden. Die Migration der bestehenden Daten war eine doppelte Aufgabe: technisch mussten die Informationen ins openEHR-Format überführt werden, und gleichzeitig durfte die medizinische Ontologie nicht verloren gehen. Parallel dazu wurde ein neues KIS beschafft, das mit openEHR kompatibel war. Umsysteme wie Laborsysteme oder Bildgebungsgeräte wurden zunächst beibehalten und später schrittweise angepasst, um den Übergang für das Personal überschaubar zu halten. Für die Ärzteschaft blieb der Wechsel weitgehend unsichtbar, doch die Verbesserungen waren sofort spürbar.

Dr. Müller, Oberärztin in der Anästhesie, beschreibt: „Früher musste ich Daten aus verschiedenen Quellen abgleichen – heute habe ich eine verlässliche Basis, die mir Zeit spart.“ Der Finanzleiter betont den wirtschaftlichen Nutzen: „Anonymisierte Daten bringen Erträge, ohne dass wir zusätzliche Systeme kaufen müssen.“

Die Rückmeldungen zeigen, wie vielseitig openEHR wirkt. Das Musterspital wurde unabhängiger vom KIS-Anbieter – ein Wechsel zu einem anderen System ist nun einfacher, da die Daten nicht mehr an einen Hersteller gebunden sind. Umsysteme liessen sich kostengünstiger integrieren und interne Prozesse wurden effizienter, weil redundante Arbeitsschritte wegfielen. Patient:innen erlebten indirekt eine bessere Versorgung, da die Ärzteschaft schneller auf konsistente Daten zugreifen konnte. Der positive Ruf des Spitals wuchs und die Basis für Big Data oder KI war gelegt. Die Standardisierung bedeutete hier keine Einschränkung, sondern einen Schritt Richtung Agilität.

openEHR – Potenzial für die Schweiz

International liefert openEHR beeindruckende Hinweise für seinen Nutzen. In Portugal wird der Standard in Kliniken eingesetzt, um Patientendaten zu verwalten und Arbeitsabläufe zu optimieren. Im Norden Norwegens verbindet er ganze Regionen, indem er Daten von verschiedenen Einrichtungen in einem einheitlichen System bündelt – ein Modell, das auch für die Schweiz mit ihren vielen kleinen Spitälern interessant sein könnte. Dänemark plant eine nationale Einführung und entwickelt dafür spezifische Archetypen, die auf das dänische Gesundheitswesen zugeschnitten sind.

Diese Beispiele zeigen, wie openEHR Synergien schafft – von einzelnen Spitälern bis hin zu landesweiten Netzwerken. In der Schweiz steht die Nutzung noch am Anfang, aber es gibt vielversprechende Ansätze. Das Universitätsspital Basel möchte openEHR implementieren. Das Swiss Personalized Health Network (SPHN) nutzt ihn, um Daten für nationale Forschungsinitiativen zu strukturieren. Diese Beispiele verdeutlichen, dass openEHR in der Schweiz auf Interesse trifft. Doch eine flächendeckende Einführung ist noch nicht in Sicht.

Die Herausforderungen in der Schweiz sind beträchtlich. Spitäler stehen unter hohem Kostendruck, und grosse IT-Projekte passen selten in Budgets. Technisches Know-how und Fachpersonal sind knapp: die Umstellung auf openEHR erfordert spezialisierte IT-Expert:innen, die in der Schweiz nicht in grosser Zahl verfügbar sind. Die Migration bestehender Daten birgt Risiken: Fehler könnten die Datenqualität beeinträchtigen und damit die Patientensicherheit gefährden. Hinzu kommt die föderale Struktur: mit 278 Spitälern, die kantonal organisiert sind, ist eine koordinierte Einführung schwierig. Die KIS-Anbieter spielen ebenfalls eine Rolle – sie haben ein Interesse daran, ihre bestehenden Systeme und Geschäftsmodelle zu schützen, was die Anpassung an einen neuen Standard wie openEHR einschränkt.

Trotz dieser Hürden sind die Chancen für die Schweiz gross. openEHR könnte die Dateninteroperabilität steigern und Synergien zwischen Spitälern schaffen – etwa durch den Austausch von Patientendaten bei Überweisungen oder die Zusammenarbeit in regionalen Netzwerken. Es würde die Effizienz erhöhen, indem redundante Arbeitsschritte wegfallen, und das Personal entlasten, da weniger Zeit für die Datenpflege aufgewendet werden müsste. Kurzfristig könnte es Arbeitsprozesse vereinfachen, etwa durch einheitliche Eingabemasken für Pflegekräfte oder schnelleren Zugriff auf Laborergebnisse. Langfristig legt es die Basis für zukunftsweisende Technologien wie Big Data oder KI – etwa für die Entwicklung von Entscheidungsunterstützungssystemen für das medizinische Personal.

Eine zentrale „Initiative openEHR Schweiz“ könnte den Wandel vorantreiben, indem sie Interessen bündelt und Wissen verbreitet, wie etwa openehr.ch. Finanzielle Unterstützung von Bund und Kantonen wäre essenziell, um die hohen Anfangskosten zu stemmen. Gesetzliche Impulse könnten zusätzliche Anreize bieten, die Dateninteroperabilität zwischen den Akteuren zu steigern.

Fazit

Das Musterspital zeigt: openEHR löst Datenprobleme und macht Spitäler zukunftssicher. Für die Schweiz bietet openEHR die Möglichkeit, bessere Vernetzung und gesteigerte Effizienz zu fördern. Doch es braucht Investitionen, Koordination und auch Mut. Kann openEHR unsere Spitäler transformieren? Ich glaube: Ja, mit klugem Vorgehen und Koordination.

Mit unserer langjährigen Erfahrung in den Bereichen LeanKIS und Digitalstrategien im Gesundheitswesen besitzen wir entsprechende Methoden und Kompetenzen, um das volle Potenzial von openEHR in Ihrem Spital zu evaluieren.

Fanden Sie meine zweiteilige Blogpost-Serie zum Thema „openEHR“ interessant? Dann freue ich mich auf den gemeinsamen Austausch mit Ihnen. Diese beiden Artikel stellen eine Zusammenfassung eines längeren Papers mit entsprechenden Quellenangaben dar. Bei Interesse stelle ich Ihnen dieses Paper gern auf Anfrage zur Verfügung.


Mehr zum Thema

  • Digital Health

    Mit durchdachten Lösungen begleiten wir Sie auf dem Weg zur digitalen Transformation im Gesundheitswesen, effizient, sicher und menschenzentriert. Mehr erfahren

  • LeanKIS

    Entlasten Sie medizinisches Personal dank unserer schlanken, modularen Lösung für die klinische Dokumentation. Jetzt herunterladen

  • Künstliche Intelligenz & Daten

    Wir nutzen KI und Daten strategisch, um Ihr Unternehmen intelligenter, schneller und wettbewerbsfähiger zu machen, für Ihre digitale Zukunft. Mehr erfahren

Bild Dennis Woyke

Autor Dennis Woyke

Dennis Woyke ist Managing Consultant für Gesundheits-IT bei adesso Schweiz und unterstützt Spitäler und anderen Dienstleister im Gesundheitswesen bei der digitalen Transformation.

Sein Ziel ist die Schaffung von Mehrwert im Gesundheitswesen für eine nachhaltige und zuverlässige Gesundheitsversorgung.

Kategorie:

Softwareentwicklung

Schlagwörter:

-