Menschen von oben fotografiert, die an einem Tisch sitzen.

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Alle reden über Nachhaltigkeit, doch meinen wir alle das Gleiche? Eine allgemeingültige und konkrete wissenschaftlich wie gesellschaftlich akzeptierte Definition existiert bislang nicht. Wann ist ein Unternehmen also nachhaltig? Leistet es seinen Beitrag, wenn Bienenstöcke im Innenhof aufgestellt sind und papierlos gearbeitet wird, oder gehört vielleicht viel mehr dazu?

Früher wurde unter dem Begriff primär die Frage nach der Umweltbelastung verstanden. Inzwischen sind zwei weitere wichtige Säulen dazugekommen, sodass Nachhaltigkeit von drei unterschiedlichen Dimensionen, den sogenannten ESG-Kriterien Environment, Social und Governance betrachtet wird. Eine weitere Veränderung besteht darin, den Bedürfnissen der heutigen ebenso wie der zukünftigen Generationen gerecht zu werden. Es kommen also Aspekte wie (Generationen-) Gerechtigkeit und Langfristigkeit ergänzend hinzu.

Nun stellt ihr euch vielleicht die Frage, wie ein Versicherungsunternehmen überhaupt nachhaltig sein kann. Werfen wir einen Blick in die Vergangenheit: Das anfängliche Verständnis von Nachhaltigkeit für Unternehmen war vorwiegend geprägt von der Einhaltung gesetzlicher oder unternehmensinterner Vorgaben und Mindestanforderungen. Heute sind es neben diesen Vorgaben besonders die Erwartungshaltungen von internen und externen Stakeholdern, die das Bild von einem nachhaltig handelnden Versicherungsunternehmen prägen. Bevor wir uns die verschiedenen Handlungsfelder genauer ansehen, geben die folgenden beispielhaft aufgeführten globalen Trends weitere Anhaltspunkte dafür, dass Nachhaltigkeit nicht nur wichtig, sondern zunehmend dringlich ist. Diese Einflussfaktoren sollten einen Versicherer dringlichst auf die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit aufmerksam machen und dazu führen, eine unternehmerische Nachhaltigkeitsstrategie zu entwerfen.

Globale Trends

Klimawandel

Der Klimawandel wurde erstmals 2020 unter den größten zehn Geschäftsrisiken im Allianz Risk Barometer gelistet. Versicherungsunternehmen fürchten vor allem eine Zunahme der Sachschäden, begründet im Anstieg des Meeresspiegels, in längeren Dürrephasen, heftigen Stürmen, massiven Überschwemmungen etc. Auch die gesellschaftliche Debatte um den Klimaschutz verleiht dem Thema Nachhaltigkeit zusätzlich Gewicht; immer mehr externe Stakeholder (zum Beispiel Kundinnen und Kunden sowie potenzielle Arbeitnehmende) fordern mehr Maßnahmen für den Umwelt- und Klimaschutz.

Demografischer Wandel

Der demografische Wandel wird auch in Versicherungsunternehmen in den nächsten Jahren zu einem zunehmenden Fachkräftemangel führen. Daher ist es umso wichtiger, dass ein Unternehmen sich bereits jetzt, durch nachhaltige Maßnahmen, als attraktiver Arbeitgeber positioniert, um qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen und zu binden. Arbeitnehmende achten mehr und mehr auch auf das nachhaltige Bewusstsein und Handeln ihrer Arbeitgeber und beziehen dies in die Wahl der Arbeitsstelle mit ein.

Auswirkungen des technischen Fortschritts

Betrachtet man den „Megatrend“ Digitalisierung als einen Änderungsprozess, der sich aus der verstärkten Nutzung digitaler Technologien ergibt und zu neuen Arbeits- und Handlungsweisen führt, dann resultiert daraus für die Unternehmen eine zunehmende Emanzipation der Kundinnen und Kunden, deren Toleranz gegenüber Umständlichkeit und Intransparenz immer weiter sinkt. Einfache und präzise Informationen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Versicherer müssen bei der Unternehmenskommunikation eine klare und verständliche Sprache nutzen. Die Digitalisierung sollte den Übergang zu einer nachhaltigen Gesellschaft unterstützen. Zugleich verlieren klassische Medien zunehmend ihre Bedeutung als Leitmedien, wodurch die Meinungsbildung direkter, digitaler und dezentraler wird. Transparenz und Dialog stehen auf der Tagesordnung. Digitalisierung ist ein wirksamer Treiber für die Kommunikation der Nachhaltigkeitsstrategie nach außen.

Agenda 2030

Allerspätestens seit der Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und den darin enthaltenen 17 Nachhaltigkeitszielen, den sogenannten „Sustainable Development Goals“ (kurz: SDGs), durch die Vereinten Nationen gilt: Das Thema richtet sich an alle – Regierungen, Zivilgesellschaft und insbesondere Unternehmen. Als Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung spielen sie in der Nachhaltigkeitsdebatte eine wesentliche Rolle und sind heute mehr denn je gefordert, nicht nur ökonomische Interessen, sondern auch ökologische und soziale Ziele zu verfolgen.

Handlungsfelder der Versicherungsbranche

Viele Versicherungsunternehmen haben bereits verstanden, dass das Erarbeiten einer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie und deren Umsetzung nicht nur mit Aufwänden zu tun hat, sondern eine Vielzahl an wirtschaftlichen sowie sozialen Vorteilen mit sich bringt. Eine verbesserte Außenwirkung durch die Befriedigung der gestiegenen ökologischen Bedürfnisse der Bevölkerung und der Weg hin zu einem attraktiven Arbeitgeber können durch eine nachhaltige Unternehmensführung gesteigert werden. Betrachtet man das Thema einmal aus dieser Perspektive, könnte man behaupten, dass aus unternehmerischer Sicht die Erfüllung der gesellschaftlichen Erwartungen positive Nebeneffekte erzeugt, der Hauptertrag aus der Nachhaltigkeit aber vielmehr in der Wirtschaftlichkeit liegt. Das Unternehmen erzielt nicht nur eine Steigerung des Gewinns insbesondere durch Kostenreduzierungen (zum Beispiel die Einsparung von Ressourcen – etwa Arbeitsmaterialien oder Raummieten), sondern wird gleichzeitig zu einem attraktiveren Arbeitgeber.

Sobald unternehmerische Nachhaltigkeit als Ursache für eine Gewinn- und/oder Werterhöhung angesehen wird, stehen den Aufwendungen für ökologische und soziale Maßnahmen ökonomische Erfolge gegenüber. Doch in welchen Bereichen kann sich die Versicherungsbranche nun konkret in puncto Nachhaltigkeit weiterentwickeln? Die drei oben genannten ESG-Kriterien können in vier verschiedene Handlungsfelder unterteilt werden:

  • 1. Regulatorik
  • 2. Customer Journey
  • 3. IT & Infrastruktur
  • 4. Nachhaltigkeitsstrategie

In jedem dieser Handlungsfelder stecken Potenzial und Treiber für Wettbewerbsvorteile. Die zu Beginn angesprochene steigende Erwartungshaltung der internen und externen Stakeholder spiegelt sich in allen der vier Punkte wider. Das größte Potenzial der vier Handlungsfelder sehe ich in dem Punkt Nachhaltigkeitsstrategie in der Unterkategorie Mitarbeitende und Soziales. Themen dieser Unterkategorie (beispielsweise Förderung von Mitarbeitendenvorteilen, Gesundheitsprogramme oder Aktionen wie „Mit dem Rad zur Arbeit“) sind relativ einfach umzusetzen und können schnell zu einem großen Wettbewerbsvorteil führen. Gemäß aktuellen Marktforschungsstudien (zum Beispiel StepStone, 2019: Studie „Nachhaltigkeit als Attraktivitätsfaktor“) beziehen Befragte immer häufiger mindestens einen nachhaltigen Faktor – dazu zählen unter anderem der Umgang mit Mitarbeitenden oder das Engagement für den Umweltschutz – in die Bewertung eines Unternehmens ein. Angesichts dessen erschließt sich die Notwendigkeit des Bewusstseins der internen und externen Stakeholder über den Leistungsvorsprung des Unternehmens im Wettbewerbsvergleich. Daher ist es neben der konkreten Umsetzung von nachhaltigen Aktivitäten ebenso wichtig für das Unternehmen, diese auch transparent zu kommunizieren und zu verbreiten. Getreu dem Motto: „Tue Gutes und sprich darüber.“

Fazit

Das Aufstellen von Bienenstöcken im Innenhof und papierloses Arbeiten sind wichtige erste Schritte auf dem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit, jedoch ist das Spektrum an Möglichkeiten für Versicherungsunternehmen weitaus größer. Die Versicherungsbranche kann ihren hohen Stellenwert nutzen, um einen großen Beitrag zum nachhaltigen Handeln zu leisten. Das passiert nicht nur durch den internen Wandel zu einem nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen, insbesondere den eigenen Mitarbeitern, sondern ebenso durch den Einfluss, den Versicherer durch die Verwaltung von enorm hohen Geldsummen besitzen. Wenn sie diesen Einfluss nutzen, indem sie gezielt in nachhaltige Finanzanlagen und Unternehmen investieren, können sie erhebliche Veränderungen bewirken. Versicherungsunternehmen können demnach zum einen als gutes Vorbild vorangehen und zum anderen durch die Unterstützung nachhaltiger Verhaltensweisen der Gesellschaft bestmöglich zu einem nachhaltigeren und bewussten Umgang mit Ressourcen beitragen.

Durch die Einnahme einer Vorreiterrolle kann sich ein Versicherungsunternehmen von Wettbewerbern sowohl auf den nationalen als auch auf den internationalen Märkten absetzen. Wenn es dem Unternehmen gelingt, durch eine transparente und klare Kommunikation von der Öffentlichkeit und den eigenen Mitarbeitenden als verantwortungsbewusstes und nachhaltig handelndes Unternehmen wahrgenommen zu werden, kann einerseits durch Stärkung des Vertrauens in das Unternehmen eine langfristige Kundenbindung ermöglicht werden. Andererseits kann eine Erhöhung der Motivation und Zufriedenheit der eigenen Mitarbeitenden im Unternehmen erzielt werden. Letzteres festigt die Bindung zu den eigenen Mitarbeitenden, was wiederum entscheidend den gravierenden Folgen des demografischen Wandels entgegenwirkt. Das Image eines nachhaltigen Arbeitgebers erhöht darüber hinaus die Chance auf die Gewinnung von qualifizierten Mitarbeitern, insbesondere von Fachkräften.

Seid ihr neugierig geworden und fragt euch, welche weiteren Handlungsmaßnahmen es für Versicherer insbesondere in den beschriebenen vier Handlungsfeldern gibt, welche Potenziale das Thema Nachhaltigkeit noch beinhaltet und wie es zu einem bedeutenden Wettbewerbsvorteil werden kann? Dann informiert euch auf der adesso-Landingpage „Green Insurance“ über aktuelle Aktivitäten bei adesso. Dort findet ihr zudem Anfang Juli das Whitepaper zum Thema Nachhaltigkeit, das die hier genannten Handlungsfelder für Versicherer im Bereich Nachhaltigkeit detailliert beschreibt.

Weitere spannende Themen aus der adesso-Welt findet ihr in unseren bisher erschienenen Blog-Beiträgen.

Bild Svenja Schröder

Autor Svenja Schröder

Svenja Schröder ist seit Januar 2021 für adesso als Consultant in der Line of Business Insurance tätig. Zuvor hat sie während ihres Master-Studiums im Fach Risk and Insurance Management als Werkstudentin zahlreiche Erfahrungen im Bereich InsurTechs und Ökosystemen in der Versicherungsbranche gesammelt. Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit den Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit.

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