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Regulatorische Anforderungen an Banken wachsen kontinuierlich. Zudem entwickelt sich die Technologie, gemeinsam mit der Anzahl der Finanztrankaktionen, enorm schnell. Banken sind gezwungen zu handeln.

In diesem Blog wollen wir beginnend auf die Bedeutung der Betrugserkennung in der Bankenwelt eingehen und aufzeigen, wie diese derzeit mittels traditioneller Ansätze adressiert wird. Anschliessend zeigen wir auf, wie die moderne Disziplin Machine Learning (ML) Banken dabei helfen kann, die wachsende Herausforderung zeitgemäss zu adressieren. Insbesondere möchten wir zwei unterschiedliche ML-Implementierungsansätze darlegen. Abschliessend nennen und beschreiben wir die Vorteile vom Einsatz von ML zur Betrugserkennungen und die dazu notwendigen Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Implementierung für den Produktivbetrieb.


Die Betrugserkennung wird mit steigender Anzahl von Transaktionen wichtiger

Betrügerische Transaktionen sind eine zunehmende Herausforderung mit weitreichenden Folgen für die gesamte Bankenindustrie. Die negativen Folgen für Banken können sich in Form von finanziellen Verlusten widerspiegeln, zu Verlust der Glaubwürdigkeit in der Gesellschaft führen und im schlimmsten Fall sogar durch Verletzung der Sorgfaltspflicht den Entzug der Banklizenz bedeuten. Die steigenden regulatorischen Vorgaben von FINMA oder anderen Aufsichtseinrichtungen zwingen die verschiedenen Kontrolleinheiten von Banken indirekt, wie zum Beispiel AML, KYC oder VSB, zu handeln und neue Lösungswege einzuschlagen.

Das Aufkommen von E-Banking und Online-Zahlungssystemen hat in den letzten Jahren zu einem exponentiellen Anstieg von Transaktionen geführt. Ebenso sind Betrüger:innen klüger und versierter geworden und wenden stets zunehmend innovatives betrügerisches Verhalten an, um ihre verdächtigen Aktivitäten zu verschleiern.

Diese beunruhigenden Trends geben Anlass zur Sorge und erfordern bessere Betrugspräventionsstrategien in Banken und anderen Unternehmen. Die traditionellen Betrugserkennungssysteme reichen in der Regel nicht mehr aus, um ausgeklügelte betrügerische Verhalten ausreichend zu bekämpfen. Hierbei kann der Einsatz von Artificial Intelligence (AI) und modernen ML-Algorithmen zur Betrugserkennung von grossem Nutzen sein.


Die traditionellen Ansätze zur Betrugserkennung sind meist regelbasiert

Die grosse Mehrheit der Banken nutzen meist immer noch reine regelbasierte Systeme, auf die oft eine manuelle Auswertung folgt. Bislang leisteten die regelbasierten Systeme eine gute Arbeit. Doch mit der zunehmenden Raffinesse der Betrüger:innen stossen die Ergebnisse traditioneller Systeme an ihre Grenzen.

So werden beispielsweise Transaktionen bewusst verschleiert, in mehrere Einzeltransaktionen gestückelt oder durch ein Netzwerk von Teilnehmern bewegt. Die Streckung der Transaktionen über einen längeren Zeitraum erhöht die Komplexität zunehmend. Bei isolierter Betrachtung einer einzelnen Transaktion greift das Regelwerk normalerweise nicht. Auch für den menschlichen Berater:innen ist die Erkennung eines Betrugs bei isolierter Betrachtung eine Herausforderung.

Das Verhalten von Betrüger:innen ändert und entwickelt sich schneller, als die regelbasierten Systeme weiterentwickelt werden. Das führt zu mehreren Problemen: Fehlalarme (Überprüfung und/oder Blockierung legitimer Transkationen) und Betrug, der aufgrund der enormen Menge an zu verarbeitenden Daten unentdeckt bleibt. Glücklicherweise können diese Herausforderungen und Schwächen durch den Einsatz von AI und ML-Algorithmen in Betrugsmanagementsystemen überwunden werden.

Wir bauen digitale Banken

Unsere Line of Business Banking deckt, zusammen mit der adesso-Tochter adesso banking solutions GmbH, innerhalb der adesso-Gruppe die gesamte Bandbreite des Bankensektors ab. Seit mehr als 10 Jahren unterstützen wir in unterschiedlichen Projekten die Innovation der Banken und Finanzinstitute in der Schweiz. Zu unseren Fokusthemen gehören das Onboarding, Open Banking und mobile Finanzapps. Wir unterstützen Sie dabei nicht nur im Technologie-, sondern auch im Business-Bereich.

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Was ist Machine Learning und wie kann es in Banken eingesetzt werden?

ML ist ein Oberbegriff für die «künstliche» Generierung von Wissen aus Erfahrung. Ein ML-Algorithmus lernt aus historischen Daten und kann diese nach Beendigung der Lernphase verallgemeinern. Das kann beispielsweise helfen, Situationen vorherzusagen, ohne explizit dafür programmiert worden zu sein.

In der Bankenwelt gibt es hierzu mehrere Anwendungsfälle. Eine bekannte Anwendung von ML ist Predictive Analytics. Damit können datengestützt Ereignisse oder Aktivitäten ziemlich präzise vorausgesagt werden, zum Beispiel die Abwanderung von Kunden, individuelle Produktkäufe, optimale Kunden- oder Produkt-Preisgestaltung, Portfoliosimulation und mehr. Eine der derzeit wichtigsten Anwendungen von ML in Banken ist die Betrugserkennung.

Die Idee hinter dem Einsatz von ML ist, dass betrügerische Transaktionen bestimmte Muster aufweisen, die sie von echten unterscheiden. Algorithmen des ML erkennen diese Muster und sind in der Lage, zwischen betrügerischen und legitimen Transaktionen zu unterscheiden. ML-Algorithmen können betrügerische Aktivitäten schneller und genauer erkennen als herkömmliche regelbasierte Systeme, da sie auf grössere Datensätze aufbauen.

Während Menschen und regelbasierte Systeme Informationen ignorieren oder unwissentlich übersehen können, können ML-Algorithmen darauf konditioniert werden, selbst scheinbar unzusammenhängende Informationen zu analysieren, um ein Muster zu finden.


Der Einsatz von Machine Learning kann zur Betrugserkennung beitragen
i. Lernen aus betrügerischen Transaktionen (Supervised Learning)

Betrugspräventionsprogramme, die nach dem Supervised Learning (Überwachtes Lernen) Ansatz funktionieren, beginnen mit dem Sammeln und Klassifizieren von zuvor aufgezeichneten Daten. Dazu gehören Informationen über legitime und betrügerische Transaktionen, die dementsprechend gekennzeichnet werden.

Diese Daten werden dazu verwendet, um dem ML-Programm «beizubringen», wie es vorhersagen kann, ob eine bestimmte Transaktion betrügerisch ist oder nicht. Damit das Betrugserkennungssystem erfolgreich ist, ist es von Vorteil, möglichst viele betrügerische Transaktionen zu haben, damit der Algorithmus viele Beispiele hat, aus denen es lernen kann.

ii. Anomalien im Transaktionsverhalten erkennen (Unsupervised Learning)

Im Gegensatz dazu gibt es Betrugspräventionsprogramme, die nach dem Unsupervised Learning (Unüberwachtes Lernen) Ansatz funktionieren. Diese benötigen kein Wissen über historische betrügerische Transaktionen. Informationen wie beispielsweise Transaktionsvolumen, Transaktionswährung, Transaktionstyp oder Empfängerland sind bereits ausreichend.

Bei diesem Ansatz verwendet das ML-Programm lediglich die historischen Transaktionsdaten, um für jeden Kunden und/oder jede Kundengruppe ein individuelles Verhaltensmuster zu berechnen. Die aktuelle Transaktion wird gegen das modellierte Verhaltensmuster abgeglichen und nach Anomalien geprüft. Das ermöglicht eine besondere kunden- bzw. kundengruppenindividuelle Betrugserkennung. Der Einsatz von einem Betrugserkennungssystem mittels Unsupervised Learning ist dann besonders interessant, wenn wenig bis keine historischen Daten mit betrügerischen Charakter vorhanden sind.

Nachdem der Algorithmus oder die Algorithmen an die unternehmenseigenen Daten trainiert sind, können sie als Betrugserkennungssystem in der Bank eingesetzt werden. Von Zeit zu Zeit müssen die Algorithmen aktualisiert werden, um das neue betrügerische Verhalten aus den neuen Daten zu erlernen.


Vorteile für den Einsatz von Machine Learning bei der Betrugserkennung

Selbst moderne Analysetools und -systeme sind weitgehend von Menschen abhängig, wenn es um die Erkennung von verdächtigen Transaktionen und betrügerische Aktivitäten geht. Diese Abhängigkeit bringt viele Herausforderungen mit sich, wie zum Beispiel die langsame Prüfungsgeschwindigkeit oder das menschliche Versagen.

Der Einsatz von ML bietet für Banken viele Vorteile wie zum Beispiel folgende:

  • Genauigkeit: ML-Algorithmen können konditioniert werden, um Muster in scheinbar unbedeutenden Daten zu identifizieren. Sie können subtile oder nicht intuitive Muster erkennen, die für Menschen schwer oder vielleicht sogar unmöglich zu erkennen wären. Dies erhöht die Genauigkeit der Betrugserkennung, dass weniger Fehlalarme gemeldet und mehr Betrugsversuche entdeckt werden.
  • Geschwindigkeit: Maschinen können enorme Datenmengen in kürzester Zeit auswerten. Sie haben die Fähigkeit, kontinuierlich neue Daten in Echtzeit zu sammeln und zu analysieren. Gerade Geschwindigkeit wird mit der zunehmend steigenden Anzahl von Transaktionen immer wichtiger.
  • Effizienz: ML-Algorithmen können bestens wiederholende Aufgaben ausführen. Das ist entscheidend, um Betrug in kürzester Zeit aufzudecken. Algorithmen können hunderttausende von Zahlungen pro Sekunde analysieren. Das ist ein Vielfaches mehr, als mehrere Mitarbeitende in der gleichen Zeit erledigen könnten. Das reduziert den Zeitaufwand und die damit verbundenen Kosten erheblich, der Prozess der Betrugserkennung kann somit effizienter gestaltet werden.
  • Skalierbarkeit: Mit der zunehmenden Anzahl von Transaktionen steigt der Druck auf regelbasierte Systeme und menschliche Analysen. Dies bedeutet wiederum einen Anstieg von Kosten und Zeit und eine Verringerung der Genauigkeit. Bei einem ML-Algorithmus ist es genau umgekehrt. Je mehr Daten, desto besser. Das Programm verbessert sich mit zunehmenden Daten, sodass die Betrugserkennung mit einer höheren Genauigkeit erzielt werden kann.

Kritische Erfolgsfaktoren für den Einsatz von Machine Learning

Die erfolgreiche Implementierung einer ML-Anwendung für den produktiven Einsatz ist nicht trivial und stellt für viele Unternehmen eine grosse Herausforderung dar. Im Folgenden werden einige der wichtiges Erfolgsfaktoren aufgelistet und kurz näher erläutert:

  • Datenverfügbarkeit und -qualität:Daten sind die wichtigste Grundlage und für das Trainieren des Modells massgeblich. Zum einen sollten die Daten in einem ausreichenden Umfang zugänglich sein. Zum anderen sollten die Datenqualitativ hochwertig und repräsentativ sein. Die Algorithmen besitzen keine Funktion, um inhaltlich schlechte Daten zu erkennen. Diese werden einfach akzeptiert und führen zur Minderung der Ergebnisqualität. Als Gegenmassnahme sollte die Beschaffenheit der Daten vor Projektbeginn geprüft werden. Im Idealfall sind Prozesse zur Sicherung der Datenqualität bereits im Unternehmen etabliert.
  • Interdisziplinäres Team: Ein interdisziplinäres Team aus IT-Fachleuten und der Fachabteilung ist zwingend erforderlich. Für die effektive Zielerreichung ist das Kontextwissen der Fachexpert:innen genauso wichtig wie das Wissen über die richtige Implementierung im Produktivsystem. Die Einbindung von Fachexpert:innen des Anwendungsbereiches beflügelt die Datenanalysen mit bekannten Zusammenhängen aus der Praxis, aber auch intuitiven Vermutungen. Zudem wissen diese Expert:innen genau, worin der Mehrwert der ML-Anwendung aus Usersicht besteht. Bei der Implementierung ist unter diesem Gesichtspunkt eine enge Zusammenarbeit erfolgskritisch.
  • Agiles, iteratives Arbeiten: Bei ML-Projekten führt kein Weg an agiles, iteratives Arbeiten vorbei. Die Definition von Zwischenzielen ist unabdingbar. Gerade am Anfang sind die Gegebenheiten noch nicht ausgekundschaftet. Viele Ideen werden ausprobiert und wieder verworfen. So kann es passieren, dass neue Datenquellen, Merkmale und Modellbausteine hinzukommen oder sich Projektanforderungen im Laufe der Zeit ändern. Je mehr es in Richtung Implementierung geht, umso mehr verläuft das Projekt mit typischen Meilensteinen. Der Fokus sollte auf dem Aufbau eines Produktivsystems liegen, welches im Nachhinein optimiert werden kann. So verliert sich das Projektteam nicht im Detail der Modelloptimierung oder Datenbereinigung.
  • Erwartungshaltung: Unrealistische Erwartungshaltungen sind zu vermeiden. ML ist keine out of the box Wunderlösung. Es steckt eine Menge Zeit und Arbeit hinter den beeindruckenden Ergebnissen. Eine angemessene Erwartungshaltung ist demnach unabdingbar, um langfristig die Begeisterung und Motivation der Beteiligten oben zu halten. Kleinere Projekte sind essenziell, um Erfahrungen zu sammeln und abzustecken, was in der Praxis möglich ist. Hilfreich für die Erwartungshaltung von Aussen ist ein aufklärendes Kick-off Meeting mit allen Beteiligten. In diesem sollten die Ziele und auch Herausforderungen besprochen werden. In weiteren Zwischenpräsentationen ist es empfehlenswert, sich ebenfalls auf diese Ziele zu beziehen.
  • Einbindung:Vor dem produktiven Einsatz der ML-Anwendung ist es enorm wichtig zu definieren, wie die Ergebnisse mehrwertstiftend in die bestehenden Business-prozesse und Unternehmenslandschaft eingebunden werden sollen. Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Unternehmen sich leider viel zu spät mit der Fragestellung beschäftigen. Eine ineffiziente Bereitstellung und Verwertung der ML-Ergebnisse können das gewinnbringende Potenzial verringern und im schlimmsten Fall sogar auflösen. Daher ist es höchst empfehlenswert, bereits beim Projektstart zu definieren, wer die Empfänger sind, über welche Applikation die Ergebnisse bereitgestellt werden, in welche weiterführenden Systeme die Ergebnisse weiterverarbeitet werden und idealerweise wie das Benutzerfeedback zurück in die ML-Anwendungen für zukünftige Trainings eingespielt werden kann.

Machine Learning ist die Zukunft für die Betrugserkennung in Banken

Betrügerische Transaktionen können zu Schäden führen. Daher ist es wichtig, den Betrugserkennungssystemen Aufmerksamkeit zu schenken. Die klassischen regelbasierten Betrugserkennungssysteme reichen mittlerweile nicht mehr aus. Der Einsatz von AI und ML ist schneller, effizienter und genauer als traditionelle regelbasierte Systeme und reduziert massiv die menschliche Arbeit. ML-Programme sind bereits die Zukunft für alle Banken, die wettbewerbsfähig bleiben und zeitgleich ihrer Sorgfaltspflicht und den regulatorischen Anforderungen der FINMA nachkommen wollen.

Bild Erman Akça-Koch

Autor Erman Akça-Koch

Erman Akça-Koch ist als Head of Data & Analytics in der Line of Business Banking in Zürich tätig. Mit rund 10 Jahren Erfahrung in der Branche hilft er mit Leidenschaft Unternehmen bei der Analyse von Daten, um wertvolle Erkenntnisse zu liefern, datengesteuerte Entscheidungsfindung zu ermöglichen und herausfordernde Geschäftsprobleme mit fortschrittlichen Analysemethoden zu lösen.

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Autor Alexander Eppenberger

Alexander Eppenberger ist Head of Business Line Banking der adesso Schweiz AG in Zürich. Sein Fokus liegt in den Themenbereiche Innovation, Change Management und digitale Transformation. Die Expertise umfasst Optimierung der Customer Journey, Verbesserung der Business Excellence mit KI und Cloud basierten Lösungen sowie Sicherstellung von Operational Readiness. Alexander Eppenberger hat Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen (HSG) studiert und unterstützt Finanzdienstleister mit der Bereitstellung einzelner Fachkräfte zu umfassenden Delivery Teams bis hin zur Validierung und Umsetzung disruptiven Produktlösungen von innovativen FinTechs.

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