adesso Blog

Starre Regelwerke und sequenzielle Bearbeitungsschritte machen Verwaltungsverfahren oft zu zeitraubenden Prozessen für Bürgerinnen, Bürger und Sachbearbeitende gleichermaßen. Die Verbindung von Camunda mit Künstlicher Intelligenz bietet einen Ausweg: Intelligente Automatisierung, die Routineaufgaben übernimmt und menschliche Expertise dort einsetzt, wo sie wirklich benötigt wird.

Was ist Camunda / Workflow Engine

Camunda ist eine Open-Source-Plattform für Workflow- und Entscheidungsautomatisierung und stellt eine Alternative zu klassischen BPM-Suiten (wie beispielsweise IBM BPM oder inubit) dar. Camunda hat sich in den letzten Jahren zu einem Tool für Unternehmen etabliert, die komplexe Geschäftsprozesse modellieren, ausführen und überwachen möchten. Die Workflow-Engine führt sogenannte BPMN-Modelle (Business Process Model and Notation) aus. BPMN ist ein internationaler Standard, der es ermöglicht, Geschäftsprozesse grafisch darzustellen und anschließend automatisiert auszuführen. Camunda wird hauptsächlich aus folgenden Gründen eingesetzt:

  • Prozesse End-to-End automatisieren: Camunda eignet sich beispielsweise für Onboarding, Kreditprüfung oder Rechnungsfreigaben.
  • Systeme und Menschen orchestrieren: Camunda steuert den Informationsfluss zwischen IT-Systemen und menschlichen Interaktionen.
  • Transparenz und Monitoring zu schaffen: Personalisierebare Ansichten wie Dashboards und Cockpits ermöglichen eine lückenlose Nachverfolgung der Prozessausführung.

Kurz gesagt: Camunda verbindet Modellierung, Automatisierung und Monitoring.

Wie KI die Prozessautomation im öffentlichen Sektor unterstützt

In der öffentlichen Verwaltung sind viele Abläufe noch immer stark von manuellen Tätigkeiten und starren Regelwerken geprägt. Die klassische Prozessautomatisierung kann hier zwar entlasten, beispielsweise bei der standardisierten Weiterleitung von Formularen oder der automatischen Erzeugung von Bescheiden. Sobald jedoch komplexere Fälle auftreten oder Entscheidungen von unterschiedlichen Faktoren abhängen, stoßen rein regelbasierte Systeme schnell an ihre Grenzen.

Künstliche Intelligenz kann diese Möglichkeiten entscheidend erweitern. KI-gestützte Automatisierung bringt die Fähigkeit mit, aus Daten zu lernen, Muster zu erkennen und Prozesse kontinuierlich zu optimieren. Für den öffentlichen Bereich bedeutet das: Verwaltungsabläufe werden nicht nur schneller, sondern auch flexibler und serviceorientierter. Besonders im Zusammenspiel mit einer Workflow-Engine wie Camunda entstehen konkrete Mehrwerte:

  • Datenanalyse und Mustererkennung: KI kann Antrags- oder Verfahrensdaten automatisch auswerten, um Engpässe zu identifizieren und Prognosen zu Bearbeitungszeiten zu liefern.
  • Automatisierung von Routineaufgaben: Tätigkeiten wie das Prüfen von Standardformularen, das Auslesen von Angaben aus eingereichten Dokumenten oder das Versenden von Zwischenbescheiden lassen sich KI-gestützt direkt in Camunda-Prozesse integrieren.
  • Unterstützung bei der Entscheidungsfindung: In komplexeren Fällen liefert KI Empfehlungen auf Basis historischer Daten, während Camunda die finalen Entscheidungen transparent in einem BPMN-Modell abbildet.
  • Kontinuierliche Prozessoptimierung: In Camunda anfallende Prozessdaten können mit Algorithmen (Machine Learning) analysiert werden. Dadurch lassen sich Verwaltungsabläufe stetig anpassen und effizienter gestalten.
  • Dokumentenverarbeitung: Ob Rechnungen, Bürgeranträge oder Verträge – KI erkennt und verarbeitet Dokumente automatisch, während Camunda die passende Folgeaktion auslöst (unter anderem Genehmigung, Nachforderung oder Archivierung).
  • Generative KI: Sogar neue Prozessmodelle können auf Basis natürlicher Sprache erstellt werden, wodurch sich die Modellierung von Verwaltungsabläufen beschleunigt.

Auf diese Weise entsteht eine Zusammenarbeit, die insbesondere für den öffentlichen Bereich von großer Bedeutung ist: Während Camunda für Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Compliance sorgt, stellt KI die erforderliche Intelligenz und Flexibilität bereit, um Verwaltungsprozesse nicht nur zu automatisieren, sondern auch zukunftsfähig zu gestalten.

Fallbeispiel Antragsverfahren im öffentlichen Sektor: Was KI und Camunda verändern können

Typische Herausforderungen in Antragsverfahren sind mehrfache Nachfragen, das wiederholte Nachreichen von Unterlagen und längere Bearbeitungszeiten. Diese Problematik zeigt sich beispielhaft bei Gewerbeanmeldungen und anderen behördlichen Verfahren. Mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) und dessen Nachfolger OZG 2.0 stehen Online-Formulare zur Verfügung und die Ende-zu-Ende-Digitalisierung ist gesetzlich verankert. Dennoch bestehen häufig die gleichen Herausforderungen. Unvollständige Anträge führen zu Verzögerungen, die Koordination zwischen Ämtern erfolgt unstrukturiert und die Transparenz über die Bearbeitungsstände bleibt begrenzt. Der Grund dafür ist, dass viele digitale Verfahren analoge Prozesse eins zu eins abbilden, ohne die dahinterliegenden Arbeitsabläufe zu überdenken.

Klassischer Verwaltungsprozess als BPMN-Diagramm

Klassischer Verwaltungsprozess als BPMN-Diagramm

Das universelle Verwaltungsmuster

Ob Gewerbeanmeldung, Wohngeldantrag oder Baugenehmigung – Antragsverfahren folgen üblicherweise dem gleichen Schema: Formular ausfüllen, Unterlagen einreichen, Vollständigkeit prüfen, andere Stellen einbeziehen, entscheiden, Bescheid versenden. Dabei sind die Herausforderungen regelmäßig identisch: Antragstellende sind sich unsicher, welche Unterlagen benötigt werden, Sachbearbeitende verwenden viel Zeit für die manuelle Prüfung von Standardangaben, die Koordination zwischen den Ämtern erfolgt unsystematisch und Bürger erhalten über längere Zeiträume keine Informationen über den Bearbeitungsstand.

Von digitalen Formularen zu intelligenten Prozessen

Die Kombination aus KI-gestützter Automatisierung und intelligenter Workflow-Steuerung kann hier wesentliche Verbesserungen bewirken. Camunda sorgt für Transparenz und eine zuverlässige Prozesssteuerung, während KI die Verwaltungsverfahren optimiert.


KI im Public-Sektor

Anwendungsmöglichkeiten im Behördenalltag

Effizienter, bürgernäher und zukunftsfähig. Erfahrt in praxisnahen Use Cases und unserem kompakten GenAI-Dossier, wie KI Behörden dabei unterstützt, Prozesse zu automatisieren, Service digital zu gestalten und Transparenz zu schaffen – ohne Datenschutz und Governance aus den Augen zu verlieren.

Erfahrt mehr über KI in der Verwaltung


Intelligente Antragsassistenz

Die KI erkennt automatisch, welche Unterlagen für den jeweiligen Antragstyp erforderlich sind, und prüft eingereichte Dokumente sofort auf Vollständigkeit. Im Fehlerfall weist die KI die Antragstellerin oder den Antragsteller darauf hin, wodurch Nachforderungen reduziert und Sachbearbeitende entlastet werden können.

Orchestrierte Prozesssteuerung

Camunda ermittelt auf Basis der extrahierten Daten automatisch alle zuständigen Stellen und berücksichtigt dabei deren Arbeitsbelastung, Spezialisierung und historische Bearbeitungszeiten. So kann ein Bauantrag beispielsweise parallel an das Bauamt und das Umweltamt geleitet werden, statt sequenziell abgearbeitet zu werden. Bei komplexeren Verfahren koordiniert das System alle Beteiligten automatisch und stellt unter anderem die folgenden Fragen: Welche Prüfungen können parallel laufen? Wo bestehen Abhängigkeiten? Welche Fristen sind kritisch?

KI-gestützte Sachbearbeitung

Die KI gleicht die Angaben automatisch mit Datenbanken ab, erkennt Standardfälle und markiert Auffälligkeiten für eine intensivere Prüfung. Bei wiederkehrenden Entscheidungsmustern generiert das System Bescheidvorschläge, die vom Sachbearbeitenden final bewertet werden.Dies entlastet bei Routineaufgaben und schafft Kapazitäten für komplexe Einzelfälle.

Proaktive Transparenz

Bürgerinnen und Bürger erhalten kontinuierlich Status-Updates wie „Ihr Antrag ist vollständig eingegangen”, „Die Prüfung durch Abteilung X läuft” oder „Stellungnahme von Behörde Y wurde angefordert”. Diese Transparenz reduziert Rückfragen und schafft Vertrauen.

KI gestützter Verwaltungsprozess als BPMN-Diagramm

KI gestützter Verwaltungsprozess als BPMN-Diagramm

Das Ergebnis: Echte End-to-End-Digitalisierung

Während das Onlinezugangsgesetz (OZG) digitale Zugänge schuf, ermöglicht die Kombination aus KI und Camunda den nächsten Schritt: intelligente, orchestrierte End-to-End-Prozesse. Für Bürgerinnen und Bürger bedeutet dies kürzere Bearbeitungszeiten, weniger Nachfragen und mehr Transparenz. Verwaltungsmitarbeitende haben Kapazitäten für anspruchsvollere Tätigkeiten. Insgesamt hat die öffentliche Verwaltung so die Möglichkeit, ihre Leistungsfähigkeit und Serviceorientierung zu steigern.

Herausforderungen

Die Verbindung von Camunda mit KI bringt nicht nur Vorteile mit sich, sondern stellt auch konkrete Herausforderungen dar, die es zu bewältigen gilt:

  • Datenqualität: Es werden qualitativ hochwertige Trainings- und Laufzeitdaten benötigt.
  • Nachvollziehbarkeit: BPMN ist ein transparentes Tool, KI-Entscheidungen sind jedoch oft Black-Box-Entscheidungen, was Anpassungen im Prozessmodell erschwert.
  • Modellunsicherheit: KI liefert oftmals Wahrscheinlichkeiten statt konkreter Antworten. Dies muss in den BPMN-Prozessen beispielsweise durch Eskalationen oder menschliche Freigaben berücksichtigt werden.
  • Fehler- und Ausnahmebehandlung: Für den Umgang mit fehlerhaften KI-Ergebnissen müssen Fallbacks oder manuelle Prüfungen implementiert werden.
  • Governance und Compliance: Es muss sichergestellt werden, dass der Einsatz von KI rechtlichen und regulatorischen Anforderungen entspricht.

Dies sind zentrale Herausforderungen, die es zu beachten gilt. Wer sich dieser bewusst ist, kann Prozesse schaffen, die sowohl strukturiert und deterministisch als auch adaptiv auf komplexe Situationen reagieren können.

Fazit

In Verbindung mit Camunda kann KI einen deutlichen Mehrwert schaffen. Camunda sorgt für klare Prozesse mit Nachvollziehbarkeit und Orchestrierung, während KI eine flexible, lernfähige Komponente hinzufügt, die anhand von Prozessdaten Entscheidungen vorbereitet. Sachbearbeitende können die Entscheidungswege des Prozesses jederzeit nachvollziehen und treffen die finalen Entscheidungen auf Basis der KI-Vorschläge. Diese Kombination schafft Effizienzgewinne, Rechtssicherheit und Wettbewerbsvorteile. Das Beispiel zeigt, wie dieser Mehrwert in der Praxis aussehen kann. In Zukunft werden weitere Anwendungsszenarien entstehen – von Versicherungsfällen bis hin zur Bearbeitung von Visa-Anträgen.

Bürgerinnen und Bürger können eine moderne, transparentere öffentliche Verwaltung erleben. Die Fachkompetenz von Sachbearbeitenden wird dort eingesetzt, wo sie benötigt wird. Der öffentliche Sektor kann somit seine Effizienz steigern und sein Ansehen bei den Bürgerinnen und Bürgern verbessern, da er zu einem serviceorientierten Dienstleister wird.

Das Zusammenspiel von Camunda und KI ist somit ein wichtiger Schritt in Richtung intelligenter Prozessautomatisierung.


Wir unterstützen euch!

Wir zeigen euch, wie die Kombination aus Camunda und KI Routineaufgaben automatisiert, Sachbearbeitende entlastet und echte Ende-zu-Ende-Digitalisierung ermöglicht. Wir unterstützen euch dabei, Prozesse im öffentlichen Sektor intelligent zu orchestrieren, Entscheidungen datenbasiert zu verbessern und Servicequalität nachhaltig zu steigern.

Jetzt unverbindlich Kontakt aufnehmen


Bild Christian  Broering

Autor Christian Broering

Christian Broering ist Software Engineer im öffentlichen Sektor bei adesso und entwickelt moderne Webanwendungen mit Java und TypeScript.

Bild Patrick  Forche

Autor Patrick Forche

Patrick Forche ist seit 2023 bei adesso als Software Engineer tätig. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit der Entwicklung und Integration von Java-Komponenten im öffentlichen Sektor. Darüber hinaus verfügt er über fundierte Expertise in der Workflow-Modellierung und -Automatisierung, die er bereits in mehreren Projekten erfolgreich unter Beweis gestellt hat.