Menschen von oben fotografiert, die an einem Tisch sitzen.

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Eine digitale Strategie ist heute wichtiger denn je – auch im Sportsektor. Vor allem Teenager flüchten vor der Realität. Viele von ihnen fühlen sich nur lebendig, wenn sie mit der digitalen Welt verbunden sind – vergleichbar mit Wade Watts. Wade konstruiert seine Persönlichkeit in dieser Parallelwelt, in der er zur Schule geht, seine Freunde trifft, Sex hat und Sport treibt. Alles findet digital statt. Obwohl Wade eine fiktive Figur ist, die von Ernest Cline für den Roman Ready Player One (2011) geschaffen wurde, ist die im Roman beschriebene Dystopie im Jahr 2045 eine Realität in unserer Welt.

Videospiele nehmen bei vielen Usern derzeit durchschnittlich neun Stunden pro Woche in Anspruch. In Ländern mit einer stärker entwickelten digitalen Kultur, etwa Südkorea, verbringen zehn Prozent der Menschen eine halbe Arbeitswoche, also 20 Stunden, mit Online-Spielen. Aufgrund der erforderlichen Mobilitätseinschränkungen und der sozialen Isolation hat das Auftreten des Corona-Virus Ende 2019 diese gesellschaftlichen Tendenzen noch beschleunigt.

China hat seit August 2021 ein dreistündiges wöchentliches Videospielverbot für Kinder verhängt. Allerdings hat das Land auch als eines der größten Spielemärkte weltweit die strengsten Regeln und die längste Spieldauer. Jedoch werden damit global auch die höchsten Einnahmen erzielt und Hochrechnungen zufolge wird die Volksrepublik im Jahr 2022 rund 41 Milliarden Dollar an Einnahmen aus Videospielen erzielen. Wir haben es also mit einem unendlichen Spiel zu tun.


Zeit für Online-Spiele in verschiedenen Ländern

Vom Komfort zur Herausforderung

Seit ihrer Gründung haben sich traditionelle Sportorganisationen, unter anderem Fußballvereine, zur Hauptquelle der Unterhaltung entwickelt – sei es in der Nachbarschaft, in den Städten und mit dem Aufkommen der Medien auch auf den TV-Bildschirmen. Im medialen Zeitalter sind die Farben und -Wappen dieser Vereine Tausende von Kilometern gereist, weshalb es heute beispielsweise mehr Fans von Real Madrid im Nahen Osten gibt als im eigentlichen Kerngebiet des Vereins.

Heute hängt die Nachhaltigkeit von Vereinen weitgehend von ihrer Größe und ihrem digitalen Fußabdruck ab. Vereine stehen vor der Herausforderung, 90 Minuten lang auf dem Spielfeld um Punkte und den Rest des Tages um die Aufmerksamkeit der Fans zu kämpfen und das gegen einen Rivalen, der niemals ruht: digitale Spiele, Handys oder Netflix.

Die Notwendigkeit eine digitale Strategie zu entwickeln, besteht nicht nur für globale Fußballvereine – beispielsweise Manchester United, Bayern München, Tottenham Hotspur oder PSG. Auch für Underdogs aus kleineren Ligen ist die Entwicklung einer digitalen Strategie wichtig.

Ein Beispiel aus Argentinien: das argentinische Urgestein und Drittligist Sacachispas FC – genannt Viola - hat verstanden, dass die Online-Präsenz einzigartig sein muss, um weiter zu wachsen. „Viele Leute folgen uns und unterstützen uns, weil sie Sympathie für uns haben, denn wir haben keine 10.000 Fans“, sagte Community Manager Pablo Turiaci 2017. Heute leitet er eine Community von über 82.000 Menschen auf Twitter und bestätigt, dass die Kommunikationsstrategie mit allen Bereichen des Vereins abgestimmt ist.


Twitter Account des Sacachispas FC

So tanzte der Sacachispas FC 2018 mit seinen Spielern auf dem Spielfeld den Haka und forderte die All Blacks damit online heraus. Heute ist Sacachispas für die sozialen Medien des Sports der Rock and Roll der 60er Jahre. Der Verein hat aber nicht nur Likes in den sozialen Netzwerken, sondern bewirkt auch ein Umdenken bei den Sponsoren. Diese haben ein Interesse daran, ihren Namen oder ihre Marken dort zu platzieren, wo auch ihre potenziellen Kundinnen und Kunden zu finden sind. Das zeigt Wirkung: der Verein hat Quilmes, Decrypto und alfajores Fantoche als Sponsoren. Gleichzeitig müssen einige Mannschaften der Professional Soccer League mit leeren Trikots ohne Sponsorennamen spielen, wie es bei Patronato der Fall ist.

Eine solche authentische, unterhaltsame Botschaft ist das, was die neuen Generationen in den E-Sportes-Kanälen suchen.

Vom Wohnzimmer in die Welt

Das Magnavox Odyssey (MO) war das erste Heimvideospielsystem der Geschichte, das 1972 in den Vereinigten Staaten auf den Markt kam. Es wurden 330.000 Exemplare verkauft und die Vorstellung, dass jeder dieses Game spielen kann und dass das Spielen mit anderen mehr Spaß macht als allein, verbreitete sich. Das Aufkommen des Internets in den 1990er Jahren ebnete den Weg für die ersten großangelegten Wettkämpfe (LAN-Partys), aus denen die ersten E-Sports Communities hervorgingen. Die Cyberathlete Professional League (CPL), die Professional Gamers League und die Quakecon gehörten zu den ersten Videospielligen, die in den späten 1990er Jahren entstanden und Spiele wie Quake, Counter-Strike, Warcraft und Doom förderten.

Heute werden E-Sport-Organisationen wie 100 Thieves, die vor einem Jahrzehnt gegründet wurden, mit 200.000 Dollar bewertet. Welchen Wert E-Sport-Vereine haben, ist am Bespiele von Schalke 04 zu erkennen. Der Verein hat seinen Platz in der League of Legends European Championship (LEC) im Jahr 2021 für 32 Millionen Euro verkauft. Das ist mehr als alle anderen Transaktionen in der Bundesliga und fast doppelt so viel wie Manchester City für Julián Lvarez ausgegeben hat. Trotz der Tatsache, dass diese Angebote für die Öffentlichkeit zugänglich sind, sind sich die meisten Vereine der Komplexität der digitalen Industrie nicht bewusst.

Die erste Reaktion der Fußballvereine auf die durch das Internet und die Videospiele ausgelöste digitale Revolution war eher zurückhaltend. Es ist davon auszugehen, dass auch 2022 weltweit weniger als zwei Prozent der Fußballmannschaften über vollständige digitale Monetarisierungs- und Kommunikationspläne verfügen. Die meisten Expertinnen und Experten glaubten zuvor nicht an den Wert von E-Sports als strategisches Werkzeug zur Markenentwicklung. Dennoch hat die Corona-Krise den Eintritt verschiedener Clubs in E-Sports-Wettbewerbe beschleunigt.

Die meisten Vereine überließen Werbeaktivitäten und das Markenmanagement bisher externen Unternehmen oder ihren Fans. Diese versuchten, mit viel Glück, sich auf Twitch oder YouTube bekannt zu machen. Mit wenig Erfolg, denn sie bekräftigten die Überzeugung, dass E-Sports etwas aus einer anderen Welt ist. Etwas, das eher in Asien gespielt wird.

Traditionelle Fans spielen bereits FIFA (EA Sports) und PES (Konami). Es geht eher darum, die Personen zu erreichen, die keinen Fußball spielen. Also den durchschnittlichen und gelegentlichen Fußballfan sowie seine Mannschaftsfarben aus der Gamer-Perspektive kennenlernen - Counter Strike Global Operations (CS:GO), League of Legends, DOTA2, Fortnite und andere.

E-Sport bietet Vereinen unbegrenzte Entwicklungspotentiale und kann mit dem richtigen Plan sehr lukrativ für Teams und Verbände sein. Man muss allerdings aus seiner Komfortzone heraustreten und Risiken eingehen. Wie erwähnt, hat Schalke vor mehr als einem Jahrzehnt mit E-Sports begonnen. Wenn man in den letzten fünf Jahren bei Google nach relevanten Nachrichten gesucht hat, standen Schalkes League of Legends-Ergebnisse immer vor den Bundesliga-Ergebnissen des Teams.

Mit dem Verkauf seines Platzes in der League of Legends European Championship hat Schalke nicht nur 32 Millionen Euro eingenommen, sondern seinen Spielern und dem Management einen digitalen Status zu verleihen.

Mehr über spannende Themen aus der adesso-Welt findet ihr in unseren bisher erschienen Blog-Beiträgen.

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Bild Federico Winer

Autor Federico Winer

Federico Winer ist Principal Consultant bei adesso.

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