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Ein Virtuelles Kraftwerk ist ein Zusammenschluss von dezentralen Einheiten, die über ein gemeinsames Leitsystem koordiniert werden. Die Einheiten können Stromproduzenten wie Biogas-, Windkraft-, Photovoltaik-, KWK- oder Wasserkraftanlagen, flexible Verbraucher, Stromspeicher und Power-to-X-Anlagen sein. Zweck des Virtuellen Kraftwerks ist die gemeinsame Vermarktung von Strom und Flexibilität aus dem Schwarm der aggregierten Anlagen. Durch die Orchestrierung der verschiedensten Anlagen können Synergieeffekte genutzt sowie Markteintrittshürden überwunden werden.

Die Anfänge der Virtuellen Kraftwerke

Unter einem Virtuellen Kraftwerk (VK) versteht man im Allgemeinen das Aggregieren von dezentralen Erzeugern sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern mittels eines zentralen Leitsystems, das alle Anlagen in Echtzeit steuern kann. Die Idee eines Virtuellen Kraftwerks lässt sich auf den Beginn der Liberalisierung des Strommarktes zu Beginn der 90er Jahre zurückführen. Das Konzept des Virtuellen Kraftwerks, auch bekannt unter den Begriffen Kombikraftwerk oder Schwarmkraftwerk, wurde vor der Jahrtausendwende überwiegend theoretisch behandelt. Mit steigender Rechenkapazität, schnelleren Kommunikationswegen und dem Markthochlauf der dezentralen Erzeugungsanlagen aus erneuerbaren Energien wurde der Weg für die kommerzielle Nutzung von Virtuellen Kraftwerken geebnet. Des Weiteren wurden die benötigten gesetzlichen Rahmenbedingungen durch den Gesetzgeber geschaffen, die eine Teilnahme von Virtuellen Kraftwerken an Regelleistungs- und Strommärkten erlauben. In den letzten Jahren entstand eine Vielzahl an VK-Betreibern und der daraus resultierende Wettbewerb zwischen den Anbietern bringt Innovationen hervor.

Neue Märkte, neue Möglichkeiten

Etablierte Virtuelle Kraftwerke binden in der Regel nicht alle Kraftwerksarten und -größen ein. Durch die sinkenden Kosten bei der Anbindung der Kraftwerke ans Leitsystem wird es zunehmend möglich, auch Klein- und Kleinstanlagen einzubinden. Des Weiteren entfällt für Hundertausende von Anlagen in den kommenden Jahren die EEG-Förderung, sodass die sogenannten Post-EEG-Anlagen entweder abgerissen werden oder mittels einer Direktvermarktung durch ein Virtuelles Kraftwerk weiterbetrieben werden können. Durch den steigenden Anteil von batteriebetriebenen Elektroautos entstehen Anreize, deren Ladeverhalten mittels eines Virtuellen Kraftwerks zu koordinieren. Bereits in einer Vielzahl von Studien konnte nachgewiesen werden, dass ein intelligentes Lademanagement die Netzstabilität verbessern kann. Des Weiteren wächst die Anzahl an (Haus-)Batteriespeichern, die, eingebunden in ein Virtuelles Kraftwerk, in der Lage sind, kurzfristige Schwankungen im Angebot oder der Nachfrage zu kompensieren. Für die beschriebenen neuen Akteure bietet die Eingliederung in ein Virtuelles Kraftwerk große Vorteile, denn der Strom und die Flexibilität können durch das Virtuelle Kraftwerk an der Strombörse angeboten werden. Insbesondere bei den derzeitigen hohen Börsenpreisen können Besitzerinnen und Besitzer von Anlagen höhere Gewinne erzielen als bei einer fixen Einspeisevergütung. Im Rahmen des Forschungsprojekts VideKIS entwickeln wir ein derartiges skalierbares und innovatives Virtuelles Kraftwerk mit dem Ziel, Kleinstanlagen ins Portfolio aufzunehmen und mit Hilfe von KI-Algorithmen einen wirtschaftlich optimierten Betrieb aller Anlagen zu gewährleisten.

Virtuelle Kraftwerke als „DIE“ Lösung der Energiewende?

Derzeit werden Virtuelle Kraftwerke als eine optimale Lösung für die folgenden Herausforderungen für erneuerbare Energien im Rahmen der Energiewende angeführt:

Flexibilität steigern

Virtuelle Kraftwerke können flexibler agieren durch eine Bündelung mehrerer kleiner Anlagen. Dies bietet ihnen die Möglichkeit, schneller auf Signale des Strommarktes zu reagieren. Diese Eigenschaft ermöglicht nicht nur eine gewinnsteigernde Auslastung von Kraftwerken, sondern kann zudem die Netzauslastung optimieren.

Administrativen Aufwand minimieren

Als Teil eines Virtuellen Kraftwerks verringert sich der administrative Aufwand für den Anlagenbetreiber. Ebenso kann durch den Betreiber des Virtuellen Kraftwerks die Aufgabe übernommen werden, sich um die technischen Anforderungen zu kümmern und die Anlagen bei Bedarf oder angesichts gesetzlicher Änderungen aufzurüsten. Dies kommt jedoch auf das jeweilige Contracting-Modell an.

Erlösoptimierung

Durch ein Virtuelles Kraftwerk können höhere Erlöse für die Anlage erzielt werden als bei den oben genannten Weiterbetriebsmöglichkeiten. Für den Fall, dass die Post-EEG-Anlage regelbar ist, ergeben sich weitere Vermarktungsmöglichkeiten in neuen Märkten, zum Beispiel den Regelleistungsmärkten. Durch den Zusammenschluss in einem Virtuellen Kraftwerk können kleinere, einzelne Anlagen den regulatorischen Hürden des Regelleistungsmarktes gerecht werden. Dies bedeutet im Umkehrschluss höhere Erlöse durch die Erbringung von Systemdienstleistungen.

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Autorin Ellen Szczepaniak

Ellen Szczepaniak ist eine erfahrene Projektmanagerin mit Schwerpunkt in der Beratung von Unternehmen der Energiewirtschaft. In ihren Projekten hat sie sowohl Erfahrungen als Requirements Engineer und Scrum Master im agilen Umfeld als auch als Interaction Room Coach und Managementberaterin in klassischen Projekten gesammelt. Sie zeichnet sich insbesondere durch ihre strukturierte und analytische Vorgehensweise sowie ihre Expertise im Kontext der Energiewirtschaft und Elektromobilität aus.

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Autor Simon Bächle

Simon Bächle ist Berater für die Line of Business Utilities bei adesso. Seine Arbeitsschwerpunkte bilden das agile Projektmanagement sowie die Anwendung von Data Science in der Energiewirtschaft. Darüber hinaus beschäftigt er sich als Business Analyst im Forschungsprojekt VideKIS mit der Entwicklung eines neuartigen virtuellen Kraftwerks.

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Autorin Zoe Holdt

ist Beraterin für die Line of Business Utilities bei adesso und begleitet agile wie auch klassische Projekte in der Energiewirtschaft. Neben dem Projektgeschäft treibt sie die Entwicklung des Themenschwerpunkts Wasserstoff bei adesso weiter voran.

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