High-Tech für die Seele

Mobile IT-Lösung unterstützt bei Depressionen

Rund 5,3 Millionen Menschen in Deutschland leiden jährlich an einer behandlungsbedürftigen unipolaren Depression. Doch leider steht der Zahl an entsprechend diagnostizierten Personen keine angemessene Anzahl an Psychotherapeuten und Fachärzten gegenüber. Viele Patienten mit der Diagnose Depression müssen daher monatelang auf eine Therapie warten. Diese eklatante „Behandlungslücke“ möchte das Forschungsprojekt STEADY schliessen.

Das Digitalisierungsprojekt STEADY wurde von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe unter der Leitung von Professor Dr. Ulrich Hegerl ins Leben gerufen. Kooperationspartner sind das Leipziger Institut für Angewandte Informatik (InfAI) und adesso. Das interdisziplinär zusammengesetzte Team von STEADY entwickelt bis Ende 2019 eine IT-Infrastruktur, die an Depression leidende Menschen unterstützen wird.

STEADY steht für „Sensorbasiertes System zur Therapieunterstützung und Management von Depressionen“ und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Das Ziel: Ein Selbstmanagement-System für Menschen zu entwickeln, die an Depressionen erkrankt sind, das aus Smartphone und Sensoren besteht und weitgehend selbständig Bio- und Verhaltensdaten der Betroffenen sammelt. Die Patienten ergänzen ihre Daten regelmässig um Selbsteinschätzungen ihrer Stimmungslage sowie andere Auskünfte, beispielsweise zu Tagesaktivitäten, ihrer Schlafqualität oder Medikamenteneinnahme. Über einen längeren Zeitraum lernen die Algorithmen, die alle Angaben im Hintergrund analysieren, die Situation des Einzelnen immer besser kennen. Die Messdaten unterschiedlicher Sensoren können dann die Betroffenen auf Veränderungen ihrer Symptomatik hinweisen. So kann der Patient frühzeitig erkennen, wenn sich wieder eine depressive Episode anbahnt – genauer als dies über die reine Selbstwahrnehmung möglich ist.

Patient bleibt „Herr seiner Daten“

STEADY zielt auf den Aufbau und Betrieb einer technologischen Plattform ab, die nicht nur zuverlässig Daten sammelt, synchronisiert, auswertet und präsentiert. Sie muss darüber hinaus den strengen Anforderungen an Datensicherheit und -schutz genügen, die im medizinischen Umfeld Standard sind. Der Patient bleibt „Herr seiner Daten“ und entscheidet, ob er diese seinem Arzt freigeben möchte, damit dieser die Situation besser einschätzen und therapeutische Massnahmen anpassen kann.

„Wir wollen ein System schaffen, das den Betroffenen dabei hilft, ihre Situation besser zu kontrollieren – und dabei gleichzeitig die Hoheit über ihre Daten zu behalten“, fasst Professorin Dr. Galina Ivanova vom Institut für Angewandte Informatik (InfAI) zusammen. Während Professor Hegerl mit seinem Team aus Sicht der Fachexperten für Depression auf das Thema blickt, bringen die Experten rund um Professorin Ivanova das notwendige Wissen über Datenanalyse und Algorithmen ein, um STEADY zu realisieren.


Prof. Dr.-Ing. Galina Ivanova, Institut für Angewandte Informatik (InfAI) e. V., Leipzig

Mehr Daten bedeuten mehr Wissen

Die Daten, die die Informationsgrundlage für das System bilden, stammen aus ganz unterschiedlichen Quellen. So setzen die Experten einen marktüblichen Sensortracker ein, der neben den Schritten des Patienten auch Parameter wie Beschleunigung, Höhe, Umgebungslicht, Umgebungstemperatur, Luftdruck, Hautwiderstand, Hauttemperatur, UV-Licht, Pulsraten oder Herzratenvariabilität registriert. Dazu ein Beispiel von Professorin Ivanova: „Wenn sich der Hautwiderstand verändert, kann das auf einen Mikroschweißausbruch hindeuten und damit Stress anzeigen. Hier können die Algorithmen dann tiefer in die Auswertung gehen und weitere Daten miteinbeziehen: Wo befand sich der STEADY-Nutzer gerade? Hat sich sein Verhalten in den Tagen zuvor verändert? War er weniger draußen unterwegs und somit weniger UV-Licht ausgesetzt?“

Als weitere Quelle bindet das STEADY-Team das Smartphone des Nutzers in das System ein. Neben sensorischen Daten, beispielsweise der Ortsbestimmung über das GPS, bekommen die Experten so auch Einblick in seine Kommunikations- und sozialen Aktivitäten. Professor Hegerl betont, dass die Akzeptanz des Systems mit dem Vertrauen der Nutzer in den verantwortungsvollen Umgang mit ihren persönlichen Daten steht und fällt. „Es geht nicht um die Inhalte der Kommunikation, sondern wir wollen quantitative Informationen über die Nutzung des Smartphones analysieren. Beispiel: Wenn jemand seine sozialen Aktivitäten einschränkt, kann dies ein Frühwarnzeichen für eine beginnende depressive Episode sein.“ Auch bei den GPS-Daten gehen die Experten mit dem nötigen Fingerspitzengefühl vor: So kann der Nutzer bestimmte Orte mit einer Kennung verschlüsseln, die nur ihm bekannt sein sollen.


Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Direktor Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig / Stiftung Deutsche Depressionshilfe


Bei der Unterstützung von Betroffenen setzen die STEADY-Experten auf moderne Technologie und eine sichere IT-Infrastrukur

Das Smartphone dient auch zur Aufnahme von Sprachproben, die die Nutzer einsprechen. Die Auswertung dieser Aufnahmen über einen längeren Zeitraum erlaubt einen Rückschluss auf mögliche Veränderungen der Stimme, ebenfalls ein Indikator für Stimmungswechsel. Ergänzt wird die Hardware-Seite des Projektes durch einen Bettsensor, der Schlafparameter erfasst.

Selbstmanagement von Patienten

STEADY setzt auf ein umfangreiches Set an Komponenten, das dazu dient, den Betroffenen – und auf Wunsch ihren Therapeuten – einen aussagekräftigen Einblick in ihre Situation zu ermöglichen. Ob Orts-, Bewegungs- oder Schlafdaten, soziale Aktivitäten oder Sprachmuster: Innerhalb dieser Daten gilt es nun, individuelle Auffälligkeiten zu finden, die auf eine depressive Phase hinweisen.

Das STEADY-Team arbeitet mit einer intuitiv und leicht zu bedienenden Smartphone-App, die die Fachleute von adesso mobile solutions konzipiert haben. Die App dient einerseits dazu, die gesammelten Informationen attraktiv und verständlich aufzubereiten. Andererseits unterstützt sie die Nutzer mit einem Fragebogen bei der Bewertung ihrer eigenen Situation.

Genauso wichtig ist die Infrastruktur im Hintergrund, die das System zusammenhält. Für das Entwickeln dieser Infrastruktur setzt das STEADY-Team auf die Experten von adesso. Gemeinsam entwickeln sie ein Fundament, das mit einer Vielzahl von Geräten und Anforderungen umgehen kann.

Der Anfang ist gemacht

Im Herbst 2017 hat STEADY mit dem ersten praktischen Anwendungstest begonnen. Im Laufe des Projekts werden 20 Patienten den aktuellen Stand der Hard- und Software in ihrem Alltag einsetzen.

Nach der Phase der Datensammlung, Auswertung und Algorithmenentwicklung können die Projektpartner dann entscheiden, ob der Demonstrator die Erwartungen erfüllt und die Weiterentwicklung in Richtung eines Prototypen beziehungsweise Produktes sinnvoll ist.

Das Vorhaben

In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt STEADY (Sensorbasiertes System zur Therapieunterstützung und Management von Depressionen) entwickeln Experten ein System für Menschen, die von Depressionen betroffen sind. Dazu setzen sie auf Sensoren und Smartphones, die weitgehend selbstständig Bio- und Verhaltensdaten von Betroffenen sammeln.

Das Projekt

Ziel ist es, ein System zu schaffen, das den Betroffenen dabei hilft, ihre individuelle Situation besser kontrollieren zu können – und gleichzeitig die absolute Hoheit über ihre Daten zu behalten. Dazu arbeitet ein Team aus Fachexperten für Depression gemeinsam mit Fachleuten für Datenanalyse und Algorithmen an der Umsetzung.

Das Ergebnis

STEADY geht in die erste praktische Bewährungsphase. Im Laufe dieser Phase sollen 20 Patienten – begleitet vom Team der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – den aktuellen Stand der Hard- und Software in ihrem Alltag einsetzen. Auf Basis der gesammelten Messdaten entwickeln die Experten dann die Algorithmen des Systems.

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