Erst Prozesse und Anforderungen, dann kommt die IT
Bereits 2010 setzten sich die Experten aus der Landeshauptstadt mit Vertretern anderer Kommunen in Verbindung. Sie ließen sich erläutern, welche Prozesse und Systeme die Verantwortlichen dort einsetzten. Nach genauerer Analyse stellte sich heraus, dass keine dieser Lösungen vollständig zu den Anforderungen der Stadt München passte. Ein ähnliches Ergebnis brachte die Sondierung von Anbietern von IT-Standardlösungen für die öffentliche Verwaltung. Auch hier konnte keine Anwendung wirklich überzeugen.
So entschieden sich die Verantwortlichen dazu, auf eine Individuallösung zu setzen, die exakt auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist.
Es folgte eine europaweite Ausschreibung, in deren Verlauf eine ganze Reihe von IT-Dienstleistern ihre Ideen und Kompetenzen präsentierte. Am Ende entschieden sich die Verantwortlichen für das Team der adesso AG. Warum, begründet Peter Ziencz so: „Bei den adesso-Experten merkten wir deutlich, dass sie den Willen, die Kompetenzen und die Erfahrung hatten, so ein Projekt zu stemmen.“
Parallel dazu stieg das Team um Peter Ziencz in die Detailanalyse der Wohnungsvergabeprozesse ein, um Abläufe und Anforderungen aller Beteiligten vollständig zu dokumentieren. Erst nach dieser Grundlagenarbeit wurden die IT-Experten hinzugezogen, um gemeinsam zu überlegen, wie die Situation digital verbessert werden kann.
Ein Projekt aus vielen Teilen
Um das umfangreiche Thema SOWON möglichst effizient umzusetzen, wurde es in mehrere Teilprojekte unterteilt. Im Teilprojekt „Interne Prozesse“ prüften die Experten, wie sich SOWON intern in der Verwaltung auswirken wird. Die Mitarbeiter des Teilprojektes „IT“ analysierten, wie Fachverfahren zugeschnitten sind, ob gegebenenfalls Anpassungen vorgenommen werden müssen und wie die beteiligten Systeme miteinander kommunizieren. In weiteren Teilprojekten mit Spezialistenteams wurden die Themen „Recht“ und „Wohnungsvergabe auf Basis der sozialen Dringlichkeit“ beleuchtet.
Auf Seite der Landeshauptstadt gehörten sieben Mitarbeiter zum Kernprojektteam. Hinzu kamen rund sechzig Personen, die an verschiedenen Stellen in die Prozesse involviert waren.
adesso übernahm dabei die IT-Planung und anschließend die Umsetzung von SOWON, vor allem die Entwicklung des responsiven und barrierefreien Frontends. Die zentrale technische Herausforderung des Projekts lag darin, die weitgehend noch manuell durchgeführten Arbeitsschritte bei der Beantragung und Vergabe von Wohnungen zu digitalisieren. Es galt hier, mehrere Schnittstellenanwendungen zu integrieren, so die interne Wohnungsverwaltung der Stadt sowie die Systeme der beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften GEWOFAG und GWG. Gleichzeitig sollte die neue Plattform allen Anforderungen an moderne Oberflächengestaltung und Benutzerführung genügen. Um berechtigte Bürger, unabhängig von ihrer Online- und Computeraffinität, bei der Wohnungssuche zu unterstützen.
Angebot und Nachfrage kommen leichter zusammen
Von Juni 2015 bis Oktober 2016 arbeiteten alle Seiten an der erfolgreichen Umsetzung und Einführung von SOWON. Mitte 2016 schaltete die Stadt das System zunächst für einen ausgewählten Personenkreis frei, wenig später dann für alle Zielgruppen. Beide Starts verliefen reibungslos.
Mit SOWON können Berechtigte das Gesamtangebot der verfügbaren Wohnungen sichten, deren Lage einsehen und sich für relevante Wohnungen direkt bewerben. Dabei prüft das System auch mögliche Erfolgsaussichten, indem es dem Interessenten die Zahl der Bewerber auf eine Wohnung anzeigt. Ferner ermittelt die Plattform anhand der erfassten Parameter der Wohnungssuchenden bei jeder weiteren Bewerbung, wo im Ranking der bereits vorhandenen die neue Bewerbung eingeordnet wird. Auf diese Weise kann sich der Interessent auf die für ihn aussichtsreichsten Wohnungen konzentrieren.
Jeweils nach 14 Tagen enden die Wohnungsangebote. Die Mitarbeiter bilden ein Ranking der eingegangenen Bewerbungen, den fünf dringendsten Bewerbern wird die Möglichkeit geboten, die Wohnung zu besichtigen. Mit Erfolg, meint Peter Ziencz: „Heute wird nach durchschnittlich fünf – statt bislang zwölf – Interessenten ein Mietvertrag unterzeichnet. Mit der Plattform können wir auf dem geförderten Wohnungsmarkt in München Angebot und Nachfrage eindeutig besser übereinbringen.“
Eine Informationsinitiative flankiert den Roll-out des Systems. So gibt es beispielsweise in Kooperation mit freien Trägern wie der Caritas Sprechstunden und Infoabende – und bei Bedarf auch Hilfestellung beim Umgang mit dem System. Das Angebot reicht von Serviceterminals für Wohnungssuchende ohne Internetzugang bis hin zu Hausbesuchen mit Laptops bei mobilitätseingeschränkten Personen.