Digitale Sprachassistenten im Handel

Wie Chatbots Mitarbeiter im Handel entlasten können

Schlagworte wie Seamless Shopping, Multi- und Omnichannel sowie Customer Experience beherrschen die Diskussion im Handel und die Entwicklung von branchenspezifischen IT-Lösungen. Im Mittelpunkt steht immer der Kunde, denn dieser ist und bleibt König auf dem Einkaufsparkett. Und was ist mit dem Personal? Ein Konzern im Lebensmittel-Einzelhandel hat soeben mit adesso ein Pilotprojekt für seine Mitarbeiter gestartet.

Ein Beitrag von Markus Merder

Über die Verbesserung der Customer Journey in Zeiten der digitalen Disruption wird viel diskutiert. Wir haben diesem spannenden Thema in diesem Jahr bei adesso einen ganzen Vortragstag gewidmet. Hier schilderten Vertreter von Unternehmen ihre Bemühungen um ein verbessertes Kundenerlebnis on- und offline. Es gibt viele interessante Ansätze.

Im Rahmen unserer Innovations-Workshops lernen wir unsere Kunden und ihre Bedürfnisse kennen. Gemeinsam entwickeln wir hier Ideen für neue digitale Lösungen mit Mehrwert. Wo drückt der Schuh, was sind die Schmerzpunkte beim Kunden, wo kann IT helfen, Prozesse zu verbessern? Das fragen wir unsere Kunden und erhalten interessante Einblicke.

So auch bei einem grossen Food-Handelskonzern, der seine Mitarbeiter entlasten möchte, wenn mal die Technik streikt. Wir kennen die Szenen aus dem täglichen Einkauf: Das Kassensystem funktioniert nicht und es bilden sich ellenlange Warteschlangen, die digitalen Waagen an der Frischetheke geben ihren Geist auf und Produkte fehlen in den Regalen, weil das Warenwirtschaftssystem ausgefallen ist. Die Mitarbeiter sind nun gefordert, schnellstmöglich für Abhilfe zu sorgen. In kleineren Filialen kann das dann auch schon mal den Mitarbeiter beim Frischfleisch treffen, der noch mit Hygienehandschuhen bewaffnet ins Büro eilen muss, um den Techniksupport anzurufen. Oder er setzt am Rechner schnell eine Mail ab. Für all das braucht er Zeit, denn oft genug muss er diverse Fragen der Service-Hotline zum Problem beantworten, damit diese die richtige Diagnose stellen und fachgerechte Unterstützung leisten kann.

Chatbot SAMI unterstützt Personal

Die Frage, die unseren Handelskunden bewegte, war schlicht: „Wie können wir unser Personal bei technischen Störungen entlasten? Welche digitalen Möglichkeiten gibt es hier?“ Wir kennen das doch alle aus verschiedenen Bereichen unseres Lebens: Service-Hotlines können enorm nervig und regelrechte Zeitfresser sein. Für Mitarbeiter im Handel, auf die Kunden im Laden warten, sind solche Situationen wahre Stressfaktoren. Man müsste zeitgleich an zwei Orten sein. Wie viel einfacher wäre es da, wenn der betroffene Mitarbeiter nur an Ort und Stelle eine Störmeldung mündlich abgeben könnte, die dann automatisch bei der Störungszentrale eine Aktion auslöst? Ohne weiteres Zutun des Mitarbeiters. Er könnte sich umgehend wieder seiner Arbeit zuwenden – und darauf vertrauen, dass Abhilfe erfolgt.

Wie das? Ganz einfach per modernem Sprachassistenten, den wir auf der Einkaufsfläche des Marktes verteilen. Die Mitarbeiter rufen im Störfall das Problem den Lautsprecherboxen mit Spracherkennungssystem und Chatbot-Funktion zu. Der Rest erledigt sich fast von alleine.

Unser Kunde startete dazu mit adesso ein Testprojekt zur Entwicklung eines sprachbasierten „Voice-Skill“-Prototyps, der in dieser Form im deutschen Handel noch einzigartig ist. Dieser wurde vor kurzem in einem schnellen, agilen Entwicklungsprojekt auf der Basis der Alexa- Technologie von Amazon fertiggestellt. Der adesso-Prototyp mit dem Arbeitstitel „SAMI – Sprachassistent für Mitarbeiter“ wird nun in zwei Märkten in Dortmund und in Berlin auf seine Praktikabilität und Funktionalität getestet. Sollte diese Erprobungsphase, der „Testballon“, den die Handelskette hier steigen lässt, erfolgreich verlaufen, dann könnte die Entwicklung schon bald in weiteren Filialen zum Einsatz kommen.

Dass der Lebensmittelhandels-Konzern mit diesem Pionierprojekt einen Sprint in Richtung Digitalisierung vorlegt, kommt in der Branche gut an. Wir stellen bei unseren Kundenterminen fest, dass sich auch andere Handelsunternehmen für sprachbasierte Lösungen interessieren. Sei es auf Personal- oder auch auf Kundenseite – die Einsatzmöglichkeiten sind grundsätzlich breit denkbar. Vor allem im Bereich „Voice Commerce“ sehen wir zukünftig ein grosses Potenzial. Das bestätigen auch aktuelle Studien zum Handel.

Einfache Anwendbarkeit sorgt für Akzeptanz

Technisch handelt es sich hierbei um eine Anbindung der Alexa-Technologie an eine Infrastruktur, die bereits beim Kunden besteht. Das Pilotprojekt bot hier den Vorteil, dass nur wenige Schnittstellen integriert werden mussten. Im Wesentlichen ging es um die Schnittstelle zum hauseigenen Ticketsystem der Störungszentrale: Der Mitarbeiter auf der Verkaufsfläche ruft in den nächstgelegenen Alexa- Lautsprecher das Problem und stösst damit automatisch per Sprache-zu-Text-Umwandlung eine E-Mail, das sogenannte „Ticket“, an die Servicehotline an. Dort geht dann alles seinen gewohnten Gang.

Die Herausforderung bei so einer Chatbot-Entwicklung: Der Nutzer beziehungsweise hier der Mitarbeiter im Markt soll mit dem Sprachassistenten möglichst natürlich kommunizieren können. Denn die zahlreichen Mitarbeiter der Handelskette sollen nicht eigens für die neue Technologie im Laden geschult werden müssen. Vielmehr sollen sie mit unserer Lösung wie mit einem echten Servicekollegen an der Hotline sprechen können. Wir wissen ja: So eine Störung ist immer lästig, blockiert die gewohnten Abläufe – und der Marktmitarbeiter wird die Fehlermeldung meist unter Zeitdruck und nicht klar ausformuliert dem Sprachassistenten zurufen. Unser intelligenter Chatbot aber ist so programmiert, dass er über geeignete Fragen eingrenzen kann, welche konkrete Störung vorliegt.

Hier kommt natürlich die langjährige Erfahrung unserer KI-Experten in Sachen Chatbot-Entwicklung mit Schwerpunkt „Natural Language Processing“ zum Tragen. Nur bei einer technisch exzellenten Chatbot-Programmierung entsteht eine automatisiert generierte Mail, die vom Technikservice verstanden wird. „Der Erfolg des Systems steht und fällt natürlich mit der Akzeptanz. Nur wenn unsere Kolleginnen und Kollegen das tatsächlich nutzen, sich damit wohl und entlastet fühlen, werden wir den Prototyp verfeinern und weiter ausrollen lassen“, lautete die klare Zielsetzung des zuständigen Projektmanagers unseres Kunden.

Wir sind gespannt, wie sich unser Sprachassistent-Prototyp nun auf dem Parkett der beiden ausgewählten Lebensmittelläden schlägt. SAMI hat im Rahmen des auf zunächst drei Monate angesetzten Pilotprojektes eine echte Chance: Er kann sich zu einem Produkt mausern, wenn er sich ins Zeug legt und das Management überzeugt. Programmierseitig sollte er dafür bestens ausgestattet sein.

Markus Merder

leitet bei adesso ein Competence Center für Java-basierte Entwicklung und ist zuständig für das Digital Experience Lab am Standort Dortmund. Markus hat Informatik und Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Dortmund studiert.

E-Mail: markus.merder@adesso.de

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