Steckenpferd: Rahel Richter

Software Engineer bei adesso und Deutsche Meisterin im Boxen

Rahel war Deutsche Meisterin im Boxen im Mittelgewicht und trainierte bis vor Kurzem als ausgebildete Boxtrainerin Männer auf Wettkampf-Niveau. Aktuell studiert sie neben ihrem Vollzeit-Job bei adesso parallel auf ihren Master-Abschluss, weshalb das Box-Training vorübergehend Pause machen muss.

Rahel, wann hast du mit dem Boxen angefangen?

Ich war 12 Jahre alt, als ich eine Klassenkameradin zum Ju-Jutsu begleitet habe. Es war erst mal reine Neugier und ich wollte das ausprobieren. Mir hat dieser Selbstverteidigungssport gleich von Anfang an richtig Spaß gemacht. Das war mein Ding. Ich habe auch bald darauf an offiziellen Wettkämpfen teilgenommen und mit 17 Jahren zog es mich zum Kickboxen, in die „Vollkontaktrichtung“, wie man so schön sagt. Und von dort war der Weg zum Boxen – Mitte 20 war ich damals – nicht mehr weit. In Berlin, meiner Heimatstadt, war ich im Boxverein und habe das Training schon sehr sportlich und ambitioniert betrieben. Während meiner Ausbildung zur Fachinformatikerin wurde ich im Jahr 2004 Deutsche Meisterin in der Mittelgewichtsklasse und gewann die Bronzemedaille bei den Europameisterschaften.

Ein toller Erfolg! Wie ging es dann weiter? Beruflich, sportlich?

Nach meiner Ausbildung ging ich nach Österreich, nach Graz, und machte neben meiner Anstellung als Softwareentwicklerin meinen Bachelor in Software Design. Hier war ich noch für kurze Zeit für die deutsche Nationalmannschaft aktiv und bestritt Box-Wettkämpfe. Aber hauptsächlich war ich als Chef-Trainerin für Wettkampfboxer in der Altersklasse von 10 bis 28 Jahren tätig, neben dem Fitness-Boxen für Breitensportler, das ich auch betreute. Der Verein hieß Boxunion Heros Graz.

War dir der eigene Box-Wettkampfsport neben dem Studium zu aufwändig?

Das wäre schon vereinbar gewesen, aber in Österreich gibt es praktisch kein Frauen-Boxen auf dem Niveau. Es gibt hier zu wenige Frauen, die auf nationaler und internationaler Ebene Box-Wettkampfsport betreiben möchten. In Deutschland war die Situation eine andere. Hier hat Frauen-Boxen einen besseren Stellenwert. Wie bei den Männern. Und es gibt die Wettkampfstrukturen dafür.


Coaching in den Rundenpausen. Die Trainerin gibt letzte Anweisungen.

Und erfolgreiche Vorbilder wie die deutschen Boxprofis Regina Halmich und Susi Kentikian, beide Box-Weltmeisterinnen.

Ja, das sind tolle Sportlerinnen. Einige meiner Trainingskolleginnen aus der Nationalmannschaft sind später Profi-Weltmeisterinnen geworden und ich konnte ihre Kämpfe im Fernsehen verfolgen. Das war schon witzig. Regina Halmich war damals die Wegbereiterin in Sachen Frauenboxen in Deutschland. Heute hat das öffentliche Interesse wieder ein wenig abgenommen, weil die Präsenz im Fernsehen aktuell nicht mehr so stark ist wie noch vor ein paar Jahren. Das liegt aber nicht am Frauenboxen, sondern am Boxsport im Allgemeinen. Die Leistungsträger fehlen aktuell.

Bei mir hatte mal ein Profiboxstall angefragt, aber für mich stand ein Wechsel in den Profibereich immer außer Frage. Ich baue lieber Software und diskutiere mit Kunden.

Was fasziniert dich beim Boxen vor allem?

Für mich persönlich standen der Wettkampfsport und der Wettkampfgedanke immer im Vordergrund. Hinzu kommt, dass man sich bei einem solchen Vollkontakt-Sport nicht irgendwie „durchschlawinern“ kann, da kommt es im Wesentlichen darauf an, optimal vorbereitet in den Ring zu steigen. Fehlt dir die notwendige Kondition, hältst du die physische und psychische Belastung im Ring nicht aus und verlierst wohlmöglich gegen schwächere Gegner. Da funktionieren keine halben Sachen. Wie im Business: Da geht man hoffentlich ja auch nur optimal vorbereitet zum Kunden für einen Pitch, um nach ein paar „Sparringsrunden“ den Projektzuschlag zu erhalten.


Coaching in den Rundenpausen. Die Trainerin gibt letzte Anweisungen

Der „aggressive“ Aspekt beim Wettkampfboxen, dass man sich da gegenseitig umhauen möchte – denn das K.o. des Gegners ist ja das Ziel – der stört dich nicht? Und dass man sich verletzen kann?

Das mit dem Verletzungsrisiko stimmt so nicht. Die meisten kennen nur das Profiboxen aus dem Fernsehen. Im olympischen Boxen sieht man bei einer Veranstaltung kaum einen K.o. oder Nasen-bluten. Die Kinder und Jugendlichen sind mit Kopfschützern geschützt. Wenn sich mal ein Erwachsener beim Kampf verletzt, dann meist, weil die beiden Kontrahenten nicht aufgepasst haben und mit ihren Köpfen zusammengestoßen sind. Natürlich kann auch mal mehr passieren, aber das sind Ausnahmen. Im Wettkampf geht es nach Punkten. Natürlich kann man auch mit einem Lucky Punch vorzeitig gewinnen. Aber dies lässt sich nicht erzwingen und ist im Amateurbereich sehr selten. Wer nur auf einen K.o. des Gegners aus ist, verliert meist, weil er sich nicht richtig auf seinen Gegner einstellt und taktische Fehler im Kampf macht.

Zum Punkt aggressiver Sport: Schläger haben in den Boxvereinen nichts verloren und werden auch schnell rausgeworfen. Wer Boxen trainiert, macht das heutzutage meist aus Fitnessgründen. Boxen trainiert den ganzen Körper, die Koordination und die allgemeine Fitness. Auch ist es sehr abwechslungsreich. Mal macht man spezielle Fitnessübungen, mal Übungen am Sandsack oder man trainiert mit seinem Partner Boxkombinationen. Also für jeden empfehlenswert.

Du hast in Graz Jungs und Männer im Boxen trainiert. Haben die dich als Frau in deiner Trainerrolle akzeptiert?

Ja, natürlich. Die Trainierenden bekommen schnell mit, ob der Trainer gut oder schlecht ist. Ein Trainer muss sein Handwerkszeug verstehen. Er muss in der Lage sein, Fehler bei seinen Schützlingen zu erkennen und auszubessern. Sonst werden sie nicht besser oder gewöhnen sich eine schlechte Boxtechnik an. Ein guter Wettkampftrainer stellt seine Boxer technisch und taktisch auf die Gegner richtig ein. Er schafft ein Vertrauensverhältnis, sodass sie seine Anweisungen unter voller Belastung und Stress während des Kampfes umsetzen können.

Bei der Grazer Boxunion Heros wurden einige unter meiner Leitung in den Nationalkader aufgenommen. Das sagt schon etwas über das Trainingsniveau, das wir dort zu meiner Zeit hatten und auch jetzt noch haben. Für Fitnesssportler ist eine präzise Technik und variable Taktik im Training nicht so wichtig. Hier ist es von großer Bedeutung, ein anspruchsvolles und abwechslungsreiches Training zu bieten. Trainer müssen sich ständig weiterbilden, da sich die Sportart und die Trainingsmethodik auch laufend weiter entwickeln. Durchaus vergleichbar mit dem Software Engineering. Hier musst du auch immer am Ball bleiben, um mit der Entwicklung Schritt halten zu können und einen Schritt voraus zu sein.


Boxer der „Boxunion Heros Graz“ mit Trainerin Rahel Richter bei einem Wettkampf in Ungarn.

Nun bist du seit eineinhalb Jahren in Bern zuhause und arbeitest hier als Software Engineer und Projektleiterin bei der adesso Schweiz. Wie kannst du bei einem fordernden Vollzeit-Job in verantwortlicher Position Deinem Hobby noch nachgehen?

Das ist zurzeit tatsächlich nicht mehr so einfach. Ich studiere im Fernstudium neben meiner Arbeit auf meinen Master im Fach Wirtschaftspsychologie mit Schwerpunkten Leadership und Management. Das möchte ich jetzt erst mal erfolgreich abschließen. Dann sehe ich in Sachen Boxen weiter.

Womit beschäftigst du dich gerade bei adesso in der Schweiz?

Ich bin hier Mitarbeiterin der .NET-Entwicklungsabteilung. Wir machen vor allem Individualentwicklung. Sei es in den Bereichen CRM, Sharepoint oder klassische Individuallösungen. Unsere Projekte reichen von der Ablösung von Legacy-Produkten über „Dynamics 365 for Sales“-Paketen bis hin zu Datenbankmigrationen, Business Intelligence und DHW-Konzepten. Neben anderen Projekten betreue ich hauptsächlich ein Informationssystem bei der Swisscom, in dem die Midrange-Betriebsführungsdaten inventarisiert werden. Die Applikation beruht auf komplexen Datenstrukturen mit zahlreichen Umsystemen. Zu meinen Tätigkeiten als Solution Architektin gehören unter anderem die Definition von Lösungskonzepten, Koordination von Umsetzungstätigkeiten und die technische Betreuung von internen und externen Mitarbeitern, die Aufgaben innerhalb dieser Applikation umsetzen.

Und wie im Boxen: Frauen in der IT sind in der Minderheit. Der Frauenanteil bei den IT-Spezialisten in Unternehmen liegt derzeit bei rund 15 Prozent. Da hast du dir ja privat wie beruflich klassische Männerdomänen ausgesucht. Wie fühlt sich das an?

Für mich spielt es keine Rolle, ob ich mehr mit Männern oder Frauen zusammenarbeite. Für mich zählt, was jemand kann. Und überdies, im Entwicklerteam hier bei adesso Bern sind wir fünf Frauen von insgesamt 15 Softwareentwicklern. Das ist immerhin ein Drittel und sehr angenehm.


Warten auf den ersten Gongschlag für den Kampf. Boxer und Trainerin sind fokussiert.

Eine letzte Frage: Wenn man versuchen wollte, Parallelen zwischen den Tätigkeiten Box-Trainerin und Softwareentwicklerin zu ziehen, was wären diese?

Bei der Trainertätigkeit geht es wie in der Projektleitung bei der Softwareentwicklung darum, mit Menschen zu kommunizieren und sie zu motivieren. Im Sport wie im Job gibt es Niederlagen beziehungsweise Rückschläge und hier ist der Trainer als Führungskraft gefordert, das Team wieder aufzubauen und Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Für beide Aufgaben braucht es optimale Bedingungen, um richtig gut zu sein. Im Sport gibt es den Spruch „Man ist immer nur so gut, wie es der Trainer zulässt“. Das bedeutet: Ist man nur ein mittelmäßiger Trainer und schränkt seine Sportler ein, können sie mitunter nicht die erwünschte Leistung erbringen. Genau wie im Beruf: Eine Führungskraft sollte ihre Teamkollegen dabei unterstützen, dass sie sich weiterentwickeln und täglich besser werden.

Rahel Richter ...

...ist Softwareentwicklerin bei adesso am Standort Bern. Die gebürtige Berlinerin arbeitet dort als Senior Software Engineer und Projektleiterin im .NET-Entwicklungsteam.

E-Mail: Rahel.Richter@adesso.ch

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